Der Einfluss von Luftfeuchtigkeit und Temperatur auf die Erhaltung von Kulturgut


1.2 Mechanische Schäden durch Klimaschwankungen am Beispiel Holz

Das Quell- und Schwindverhalten hygroskopischer Materialien (Holz, Elfenbein, Leder, Papier, Textil...) kann zu mechanischen Schädigungen wie Verformungen und Rissen  führen. Verantwortlich hierfür sind in erster Linie die Schwankungen der rF und in geringerem Maße die Temperaturschwankungen. Bei Holz lässt sich Quellverhalten und Wassergehalt wie folgt mit der relativen Luftfeuchtigkeit in Bezug setzen:

Bei steigender rF quillt Holz nicht gleichmäßig: Im trockenen Bereich (0 - 40% rF) quillt es stärker als im mittleren Bereich (40 - 60% rF). Im feuchten Bereich nimmt die Quellung sehr stark zu. Die Volumenzunahme ist aber proportional zum Wassergehalt, daher sind die beiden Linien für die tangentiale bzw. radiale Quellung gerade. Die Quellung in Faserrichtung ist nicht eingezeichnet, da sie in diesem Zusammenhang vernachlässigbar klein ist. Wer vermeiden möchte, dass ein Holzstück quillt oder schrumpft (z.B. bei Temperaturänderungen), sollte demnach dafür sorgen, dass der Wassergehalt des Holzes gleich bleibt, z.B. indem er es in eine dichte Folie verpackt.

Graphik 5
: Wassergehalt und Quellverhalten von Holz (aus: Padfield online)

Die Volumenänderungen von Holz sind demnach direkt proportional zum Wassergehalt des Holzes, nicht aber zur relativen Luftfeuchtigkeit. Dies lässt sich durch die nächsten beiden Graphiken verdeutlichen:

Graphik 6  Dimensionsänderungen: Die Graphik zeigt nochmals die unterschiedliche Wasseraufnahme und damit Quellung von Holz bei verschiedener rF – hier für amerikanisches Pappelholz.




(aus: Erhardt, WAAC 1/1995)

Graphik 7 Quellungskoeffizient: Noch deutlicher zeigt sich der Effekt, wenn man herauszeichnet, wie stark das Holz bei 1% Feuchteänderung quillt: zwischen 40% und 60% ist die Wasseraufnahme und daher Quellung von Holz extrem gering. Feuchtigkeitsschwankungen in diesem Bereich führen demnach kaum zu Dimensionsänderungen.

(aus: Erhardt, WAAC 1/1995)

1.2.1. Warum führen Klimaschwankungen zu Schäden?

Soweit ein hygroskopisches Material sich spannungsfrei im Raum ausdehnen und zusammenziehen kann, führen Klimaschwankungen zu keinen Schäden. Wird aber die Quellung bzw. Schrumpfung behindert, wird das Material deformiert. Beispiele von Materialien, die in ihrem Dehnungsverhalten behindert sind, begegnen wir in Museen zuhauf, z.B:

Es kann jedoch auch bei einem unbemalten Holzblock zu Dehnungs- bzw. Schrumpfungsbehinderung kommen:

Graphik 8:

Langsamkeit der Wasserabgabe eines 10 mm dicken Holzbretts (Unterseite versiegelt). 

aus: Padfield online

Wie Graphik 8 zeigt, wirken sich Feuchtigkeitsschwankungen zuerst auf die Oberfläche von Holz aus und dringen erst langsam bis ins Innere des Holzes vor. Ein 20 mm dickes Holzbrett benötigt ca. 50 Tage, um sich zur Hälfte auf das neue Klima einzustellen (hier von 80% rF auf 50% rF). Wird ein Holzbrett plötzlich aus trockener in feuchte Atmosphäre gebracht, versucht zunächst der oberste Millimeter zu quellen, wird aber vom darunterliegenden Holz daran gehindert. Die Oberfläche wird auf diese Weise komprimiert. Bringt man das Holzbrett wieder zurück in die trockene Atmosphäre, ist plötzlich quasi zu wenig Oberfläche vorhanden. Das Brett wird dadurch schmaler, und es kann im Extremfall zu Rissen kommen. Ist wie bei einseitig bemalten Holztafelbildern die Schauseite durch die Malschicht vor schnellen Feuchtigkeitsschwankungen geschützt, wird nur die Rückseite des Bretts verkürzt. Das Holztafelbild wölbt sich daher nach vorn, wie dies bei einseitig bemalten Holztafelbildern häufig zu beobachten ist.

Die Deformation ist so nur lange für das Kunstwerk ungefährlich, wie sie sich im elastischen Bereich des Materials bewegt, d.h. im Bereich, wo das Material gummiartig wieder zu den Ursprungsmaßen zurückkehren kann. Erst wenn die Deformation über die Elastizitätsgrenze hinausgeht, bleibt eine dauerhafte plastische Verformung zurück und liegt somit eine Schädigung vor. Werden die Kräfte noch größer, kann es zum Bruch kommen.

1.2.2. Wie groß dürfen Feuchteschwankungen sein?

Es stellt sich die interessante Frage, wie groß die rF-Schwankungen sein dürfen, ohne dass mechanische Schäden eintreten. Der Versuch einer Antwort wurde von Mecklenburg und anderen Forschern der Smithonian Institution unternommen, was in der Fachwelt vielfältige Diskussionen ausgelöst hat (Erhardt 1995, WAAC 1/95). Sie stellten sich ein Holzstück vor, dessen Quellungs- / Schrumpfungsverhalten vollständig behindert sei, z.B. indem es zwischen die Backen eines Schraubstocks geklebt wurde. Da Holz in tangentialer Richtung am stärksten quillt und schrumpft, brauchten sie nur diese Richtung zu betrachten.

Da nun aber Quellungsverhalten, Elastizitätsgrenze und Zugfestigkeit in tangentialer Richtung bekannt sind, gelangten sie rein rechnerisch zu Graphik 9.

Betrachten wir die senkrechte Linie bei 50% rF, sehen wir, dass ein spannungsfreies, auf 50% rF eingestelltes Holzstück rF–Schwankungen zwischen 68% und 31% rF verträgt, ohne dass es zu plastischen Deformation kommt. Unterhalb von bei 13% rF bricht es. In der Region um 50% rF führen demnach trotz starker rF-Schwankungen von ±18% rF zu keinerlei Schäden, und dies obwohl die Quellung/Schrumpfung vollständig behindert ist, was ja in der Praxis nicht immer der Fall ist.

Im Bereich von 70% rF und darüber kommt es dagegen schon bei vergleichsweise geringen Schwankungen zu plastischen Verformungen, da Holz in diesem Bereich zum einen sehr stark quillt und das Holz zum anderen viel leichter formbar ist. Dass Holz oberhalb 70% rF sehr leicht Klimaschäden erleiden kann, lässt sich als allgemeingültige Feststellung aus diesem Diagramm festhalten.

Bei diesen Versuchen wurde stets mit raschen Feuchtigkeitsänderungen gearbeitet. Nicht zuletzt die Erfahrung lehrt jedoch, dass langsame Schwankungen weniger zerstörerisch sind.

Graphik 9b: Spannungs-/ Dehnungsdiagramm bei langsamer und schneller Dehnung für Ölfarbe (Neapelgelb) bei 23°C und  50% rF 

Das Diagramm zeigt, dass sich Ölfarbe bei langsamer Beanspruchung weiter dehnen lässt als bei rascher Beanspruchung. Bei der unteren Kurve wurde die Farbprobe stückchenweise immer ein wenig weiter gedehnt und nach jeder Dehnung entspannt. Die Farbprobe lässt sich auf diese Weise weiter dehnen ohne zu brechen. Sie wird auf diese Weise aber dehnungsgehärtet - ähnlich wie Metalldraht, der beim Ziehen härter wird. Wird danach dieselbe Zugkraft angelegt wie bei der Farbprobe 1, ist der Dehnungseffekt geringer.


(nach: Mecklenburg 1991, p. 152)

Lässt sich damit behaupten, dass ein Holzobjekt, das jahrelang bei 50% rF gelagert war, auf jeden Fall Schwankungen von knapp ± 20% rF ohne Schäden erträgt? Sofern es sich um ein spannungsfreies, rissfreies und gleichmäßig dickes Brett handelt, lautet die Antwort ‚ja‘. Weist das Holzobjekt allerdings Risse auf, konzentrieren sich, wie dieselben Autoren in "Art in Transit" p. 188, 212-214 zeigen, die Kräfte auf die Rissenden.

Graphik 10: Spannungskonzentration an Rissen im Holzbrett bei Trocknung von 50% auf 40% rF und behinderter Schrumpfung

Bei langen Rissen vom Rand her kann es auch bei sehr geringen rF-Schwankungen schon zur Rissverlängerung kommen, sofern die Schrumpfung behindert ist.

Ähnliches wird gelten, wenn ein Brett nicht einheitlich dick ist. Auch hier werden sich die Kräfte auf die dünnen, schwachen Partien konzentrieren und dort bereits bei geringeren rF-Schwankungen zu Schäden führen.

(nach Mecklenburg 1991, p. 214)

Bei bereits gerissenen Holzobjekten oder bei stark profilierten Holzgegenständen kann es demnach bereits bei Klimaschwankungen von weniger als ±20% rF zu bleibenden Schädigungen kommen. 

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