Der Einfluss von Luftfeuchtigkeit und Temperatur auf die Erhaltung von Kulturgut

Seminarvortrag Christoph Waller in Bamberg, Juni 1998, überarbeitete Version Juli 2000 (web-Version ist in Bearbeitung)

1.3 Gemälde und Kunstwerke aus kombinierten Materialien

Komplizierter wird die Angelegenheit bei Gemälden, wo mehrere Materialien mit unterschiedlichsten Eigenschaften miteinander kombiniert sind. Nur beispielhaft seien hier einige Eigenheiten genannt:

- Die unterschiedliche Quellung der Materialien, hier gezeichnet für den Bereich 30 - 70% rF: 

Graphik 11: Längenausdehnung zwischen 30% und 70% rF, Beispiele verschiedener Materialien, nach Mecklenburg 1991
  • Bei Holz liegt diese unter 0,1% in Faserrichtung und bei 1,0 in tangentialer Richtung.
  • Bei Leinwandgewebe liegt der Wert bei Kette und Schuss etwas unterschiedlich bei 0.35 - 0,7. Speziell für Leinwandgewebe ist auch, dass oberhalb 85% rF die Fasern sich seitlich so stark dehnen, dass das Gewebe insgesamt schrumpft.
  • Ölfarbe dehnt sich nach allen Richtungen gleichmäßig, aber je nach Art und Menge von Pigment unterschiedlich, etwa zwischen 0,1 - 0,6%. Oberhalb 70% rF fangen auch manche Pigmente an, Wasser aufzunehmen und zu quellen (Zinkweiß, Bleiweiß).
  • Leim schrumpft beim Trocknen viel stärker als alle anderen Materialien, etwa 1,2%, Kreidegrund quillt je nach Pigmentkonzentration deutlich schwächer. Leim entwickelt im trockenen Bereich enorme Zugspannungen (lässt sich also nur mit großer Kraft dehnen). Er gilt daher als Verursacher für viele Klimaschäden, vor allem durch schnelle Klimawechsel. Er kann diese Spannungen allerdings nicht über längere Zeit halten und gibt dann durch Erschlaffen nach.

Die Regeneration von tierischem Leim:

Leim verliert bei 85% rF vollständig seine Zugfestigkeit. Er regeneriert sich aber bei dieser hohen rF und entwickelt dann beim Trocknen von neuem hohe Spannungen.

Graphik 12: Schrumpfung von unter Spannung getrocknetem Hasenleim bei Zyklen zwischen 54% und 90% rF

(aus: Padfield online)

Gemälde bestehen aus Materialien mit sehr unterschiedlichem Quellungsverhalten und auch sonst sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Schwankungen der Luftfeuchtigkeit führen daher zwangsläufig zu inneren Spannungen. Ab einem gewissen Punkt führen diese Spannungen zu Schäden wie Craquelé, Schüsselungen oder Malschichtablösungen.

1.3.1 Welche Klimaschwankungen sind bei Gemälden zulässig?

Damit Klimaschwankungen bei Gemälden ohne dauerhafte Schäden bleiben, dürfen auch hier die Elastizitätsgrenzen der einzelnen Materialien nicht überschritten werden. Nach rechnerischer Auswertung der Quellungs- und Elastizitätsparameter kamen die Forscher der Smithonian Institution zum Ergebnis, dass auch bei Leinwandgemälden Luftfeuchtigkeitsschwankungen im Bereich von 50% rF ±15% keine dauerhaften Schäden erzeugen dürften. Diese Behauptung ist Hauptgegenstand einer Kontroverse, die in Amerika Ende der Neunziger Jahre die Gemüter erhitzte. 

Unterziehen wir daher die möglichen Schadensursachen einer genaueren Betrachtung. Die unterschiedlichen Quellungseigenschaften der Materialien bewirken, dass bei Klimaschwankungen stets ein Material vom anderen gedehnt oder komprimiert wird. Bei einem intakten Gemälde und guter Haftung zwischen den Malschichten erscheint dies durchaus möglich. Bewegen sich alle Deformationen im elastischen Bereich (z.B. 50% rF ±15%), sind keine Schäden zu erwarten, erst bei größeren Klimaschwankungen käme es zu bleibender Kompression oder Craquelé. 

Es sind jedoch eine Reihe von Fällen denkbar, wo sich die Materialien weniger ideal verhalten:

Die Frage, ob rundweg alle Gemälde ein Klima von 50% rF ±15% ohne mechanische Schäden überstehen, stellt sich daher in dieser Form nicht. Der Sinn dieser etwas provokativen These muss folglich anderswo gesucht werden. Hierzu muss gesagt werden, dass vor dieser Kontroverse die Klimaempfehlungen meist generell höchstens ±5% rF festlegten. In manchen Museen wurden und werden mit hohem apparativem Aufwand Klimawerte von ±2% rF gehalten. Es war das Anliegen der Smithonian-Forscher, diese Klimaempfehlungen zu hinterfragen, da nach ihren Schätzungen durch breitere Toleranzen und kleiner angelegte Klimaanlagen bei Museen bis zu 50% (nach anderen Autoren 3%) der Baukosten sowie enorme Betriebskosten gespart werden könnten (Smithsonian Institution News 1994). Es hatte sich zudem gezeigt, dass viele Museumsbauten in USA gar nicht in der Lage sind, im Winter eine rF von 50% rF zu halten, ohne dass Feuchtigkeit im Mauerwerk kondensiert.

Insgesamt erscheint die ganze Diskussion um ±15% rF jedoch ein wenig künstlich und kann vielleicht mit einigen allgemeinen Empfehlungen abgeschlossen werden (vgl. Michalski 1993, Michalski (in McCrady) und Padfield):

Bei der Neukonzeption einer Klimaanlage in einem Museum sollte der Klimatechniker befragt werden, wo die Kostensprünge zwischen einem engeren und einem weiteren Toleranzbereich liegen und erst danach eine Entscheidung gefällt werden. Bezüglich der chemischen Stabilität können Isoperm-Gleichungen helfen, um mit dem Klimatechniker innerhalb der Möglichkeiten für eine Langzeitkonservierung die günstigste Lösung zu finden.

Frühere Klimaempfehlungen zur Aufbewahrung von Kunstwerken betrachteten oft hauptsächlich die mechanischen Schäden. Wird der Klimaeinfluss auf die chemische Zersetzung der Kunstwerke mit einbezogen, ergeben sich meist niedrigere Werte für die relative Luftfeuchtigkeit sowie für die Temperatur. Die zulässigen Toleranzen für die Klimaschwankungen sollten von der  Materialzusammensetzung und vom Erhaltungszustand der Kunstwerke abhängig gemacht werden..

Bibliographie


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