Häufig soll in Vitrinen für Sonder- oder Dauerausstellungen eine definierte relative Luftfeuchtigkeit (rF) erzeugt werden. In den Leihbedingungen des Leihgebers sind oft genaue Luftfeuchtigkeitswerte mit engen Toleranzen gefordert. In Vitrinen und Depotschränken lässt sich die rF auf drei Arten beeinflussen:
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Silikagel (= Kieselgel), Trockenton und Molekularsiebe werden industriell hauptsächlich
zur Trocknung eingesetzt und daher als "Trockenmittel" bezeichnet.
Eine gute Übersicht über die verschiedenen Eigenschaften finden
Sie auch bei Sorbentsystems
(Aufnahmekapazität, Aufnahmegeschwindigkeit, Verhalten bei höherer Temperatur). Wie aus der Graphik ersichtlich, können Silikagel und Trockenton bei höherer Luftfeuchtigkeit umso mehr Feuchtigkeit aufnehmen, bis sie mit dem Umgebungsklima im Gleichgewicht sind. In einer Verpackung oder in einer Vitrine wird die Luftfeuchtigkeit im Laufe der Zeit langsam ansteigen, je mehr Feuchtigkeit das Trockenmittel aufgenommen hat. Werden sie nicht im trockenen Zustand verwendet, lassen sich Silikagel und Trockenton auch als Feuchtepuffer einsetzen, d.h. bei steigender relativer Luftfeuchtigkeit nehmen sie weiter Wasserdampf auf, bei sinkender relativer Luftfeuchtigkeit geben sie jedoch Wasser ab. Auf diese Weise lässt sich die relative Luftfeuchtigkeit in Vitrinen oder Verpackungen über längere Zeit weitgehend konstant halten. Ein ganz anderes Verhalten zeigt das Trockenmittel Molekularsiebe. Molekularsiebe nehmen weitgehend unabhängig von der Umgebungsfeuchte rund 20% Wasserdampf auf. Molekularsiebe werden daher zur scharfen Trocknung eingesetzt. Sie halten bis fast zu ihrer Sättigung die rF nahe 0%. Bild aus: www.arnomarx.de |
Silikagel wird synthetisch hergestellt aus Natriumsilikat und einer Mineralsäure (z.B. Schwefelsäure). Durch Mischen dieser Stoffe unter bestimmten Bedingungen entsteht ein Sol (SiO2 , Na2SO4 , H2O). Dieses erstarrt zu Gallerte. Aus den zerkleinerten Gallertestücken wird das entstandene Natriumsulfat ausgewaschen. Die unterschiedlichen Eigenschaften wie Porenvolumen, Porendurchmesser und innere Oberfläche erreicht man durch Führung des Waschvorgangs mit unterschiedlichen pH-Werten, Temperaturen und anderen Parametern. Das gewaschene Produkt heißt Hydrogel, nach dem Trocknen entsteht daraus Silikagel als ungleichförmiges Granulat in einer Korngrößen bis etwa 8 mm. Es enthält dann weniger als 1% freies Wasser. Daneben enthält es 5 - 7% Konstitutionswasser, das zur Erhaltung der Porenstruktur notwendig ist und daher nicht durch Erhitzen über 380°C entzogen werden darf (Südchemie). Silikagel lässt sich bei 130 - 150°C wiederholt regenerieren. Mit der Zeit nimmt die Aufnahmefähigkeit etwas ab, zum einen aufgrund von Zersetzung des Silikagels (vor allem in Gegenwart organischer Säuren wie Essigsäure), zum anderen durch Adsorption hoch siedender Stoffe wie z.B. von Ölen.
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Silkagel E
ist der bekannteste Feuchtigkeitspuffer. E steht für "engporig",
denn Silikagel lässt sich mit verschiedenen Porendurchmessern
herstellen.
Makroporiges Silikagel-M besitzt völlig andere Eigenschaften (Vergleich siehe Diagramm unten): Es adsorbiert vor allem im sehr feuchten Bereich und ist somit für die Konservierung in der Regel uninteressant. Kugelförmige Sorten sind etwas teurer als kantige Brocken. Sie stauben dafür weniger und lassen die Luft besser durchströmen. Kugelige Sorten hüpfen jedoch beim Schütten und rollen dann u.U. in die hintersten Ecken des Raums. Wer mit losem Silikagel hantieren muss, mag daher kantige Brocken vorziehen. |
Mit einer ausreichenden Menge Silikagel lässt sich die rF in engen Grenzen konstant halten. So wird berichtet, dass mit Silikagel eine Geige zehn Monate lang richtig gestimmt gehalten wurde (de Guichen 1984). Zur Abpufferung saisonaler Feuchtschwankungen in Vitrinen empfiehlt Thomson 1984 20 kg/m³ Silikagel - ein Richtwert, der bei modernen, speziell abgedichteten Vitrinen sicher auch unterschritten werden darf (vgl. Teil 3).
Welches Silikagel eignet sich am besten für welchen Feuchtebereich?
Am besten geeignet ist jeweils das Produkt, das in diesem Bereich die steilste Kurve besitzt:
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Die Eigenschaften von Silikagelen sind durchaus unterschiedlich, wie diese vier Produkte beispielhaft zeigen. Silikagel E und PROSorb sind engporige Silikagele, Silikagel M ein makroporiges. Bei ART SORB handelt es sich um ein mit Lithiumchlorid dotiertes Silikagel. Je nach dem, welche relative Luftfeuchtigkeit erreicht werden soll, ist ein anderes Produkt zu empfehlen.
Die Unterschiede treten deutlicher zu Tage, wenn man einen speziellen Feuchtebereich herausgreift. Als ein für Kunstwerke besonders wichtiger Bereich sei dies am Beispiel 40 - 60% rF dargestellt (siehe Graphik rechts oben).
Das in den USA verwendete Arten Gel (Art Preservation Services) liegt in diesem Bereich zwischen PROSorb und ART SORB (vgl. Richard 1991).
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Silikagel E mit Farbindikator Das heute vor allem verwendete oranges Silikagel verändert seine Farbe von Orange (rF < 20%) nach farblos (rF > 50%). Es besitzt die gleichen Kenndaten wie Silikagel E, darf beim Trocknen jedoch nicht überhitzt werden, da der Farbindikator (Phenolphtalein) sonst leiden könnte. Andere Sorten verändern ihren Farbton von Gelb nach grün oder von Blau nach Rot (z.B.: Levosil). Das früher gängige Blaugel ist ein Silikagel, imprägniert mit Kobalt-II-Chlorid als Feuchtigkeitsanzeiger. Die gängigste Sorte ist vom trockenen Zustand bis etwa 15 Gewichtsprozent (~20% rF) blau, und mit fortschreitender Beladung erfolgt ein Farbumschlag über violett nach hellrosa, das bei 25 Gewichtsprozent (~40% rF) erreicht wird. Spezielle Sorten zeigen einen Farbumschlag bei anderen Luftfeuchtigkeiten. Blaugel steht im Verdacht, krebserregend zu sein und ist daher seit dem Jahr 2000 kennzeichnungpflichtig. In den meisten Fällen wird es heute durch Silikagel orange oder neoblue ersetzt. |
Silikagele, wie im Grunde alle Feuchtigkeitspuffer, adsorbieren die Wassermoleküle auf ihrer sehr großen inneren Oberfläche (bis zu 800 m²/g). Es handelt sich dabei um einen flüssigen Wasserfilm auf der Oberfläche. Je dicker der Wasserfilm, desto mobiler sind die Wasserteilchen und desto eher können diese dann zu Metallkorrosion führen. Aus gleichem Grund rosten Stecknadeln bekanntlich zuerst dort, wo sie durch Textilien gesteckt sind. Auch wenn bei direktem Kontakt zu Silikagel vielleicht nicht sofort Korrosion eintritt - direkter Kontakt zwischen Puffern und Kunstwerken sollte normalerweise vermieden werden, vor allem wenn es sich wie bei Blaugel oder ART SORB um ein chloridhaltiges Produkt handelt.
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Aktivierte Tonerde ist aktiviertes Aluminiumoxid in Kugelform von 2-10 mm Durchmesser. In den Trockenmittelbeuteln (rechts) ist ein etwas weniger edles Produkt: Bentonit (links), ein natürliches Tonmineral in bröseliger Form mit aber im Prinzip ähnlichen Adsorptionseigenschaftten. Als ungiftiges und preiswertes Material wird in Europa in größeren Trockenmittelbeuteln fast ausschließlich dieser Trockenton verwendet. Bentonit kann auch zu Lehmziegeln oder Lehmputz verarbeitet und so zur Klimatisierung ganzer Räume eingesetzt werden (Padfield online) |
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Trockenton adsorbiert im trockenen Bereich bis ca 40% rF nur unwesentlich schlechter als Silikagel, fällt jedoch oberhalb 40% rF deutlich gegenüber Silikagel ab. Tonerde ist nur bei Temperaturen bis etwa 50°C zu verwenden während Silikagel bis Temperaturen um 80°C einsetzbar ist. Von Vorteil ist, dass Tonerde langzeitstabil ist und Wassertropfen verträgt, während trockenes Silikagel-E beim Übergiessen mit Wasser zerplatzt. Silikagel und Tonerde lassen sich beide im Ofen bei 130 - 150°C viele Male (> 10x) regenerieren und wiederverwenden. Umluftöfen eignen sich hierfür besonders gut.
2.1.1.3 MolekularsiebeDienen ausschließlich der Trocknung und können nicht als Feuchtigkeitspuffer eingesetzt werden. Es sind synthetisch hergestellte Zeolithe (kristalline Aluminosilikate mit Käfigstruktur, genannt "Stein, der kocht", da natürliche Zeolithe hüpfen, wenn man sie erwärmt) mit einheitlicher Porenstruktur (Rempel 1996, Shashoua 1996). Hiermit können bestimmte Moleküle herausgesiebt werden. Bestimmte Molekularsiebe werden zudem als Sorbens für HCl (Shashoua 1999) und Essigsäure (hier z.B. Typ 13 X) eingesetzt (siehe Teil 4). |
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Zum Trocknen werden Molekularsiebe mit 3 oder 4 Angström Porendurchmesser verwendet. Diese Molekularsiebe adsorbieren unabhängig von der umgebenden Luftfeuchtigkeit ca. 20 - 23 Gewichtsprozent Wasser. Hiermit lässt sich ein extrem trockenes Klima nahe 0% rF herstellen. Molekularsiebe lassen sich bei Temperaturen über 250°C regenerieren (Südchemie). In der Konservierungsliteratur wird dieses Material bisher noch viel zu wenig beachtet. | ![]() |
Molekularsiebe eignen sich hervorragend, um Metallfunde über lange Zeit bei einer
Luftfeuchtigkeit nahe 0% rF aufzubewahren. Auch bei
salzbelasteten Metallfunden findet unter diesen Bedingungen
praktisch keine Korrosion statt.
Als Beutelmaterial wurde die hochdichte ESCAL-Folie
verwendet, die Molekularsiebe sind
in einem staubdichten TYVEK-Beutel verpackt. Der blaue
Verschlussclip sorgt für
mittelfristige Dichtigkeit. Für Langzeitverpackungen sollte
der Beutel zugeschweißt werden. |
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Viele Naturmaterialien wie Holz, Papier, Leder, Bein, Ölfilme oder Fasern adsorbieren mehr oder weniger viel Wasser. Damit sie als Feuchtigkeitspuffermaterialien interessant sind, müssen sie nicht nur eine hohe Wasseraufnahmefähigkeit besitzen, sondern auch die Fähigkeit, dieses Wasser rasch aufzunehmen oder abzugeben.
Holz gehört nur bedingt dazu (Padfield). Die oberste Holzschicht reagiert zwar sehr schnell auf rF-Schwankungen, aber das darunter liegende Holz beeinflusst das Klima nur sehr langsam. Dicke Holzbretter sind daher zur Klimatisierung von Vitrinen relativ ungeeignet. Wenn man mit Holz klimatisieren wollte, müsste man schon das Holzbrett in Furnierstärke aufschneiden oder man müsste es senkrecht zur Faser in 4 - 5 mm dicke Hirnholzblöcke sägen. Entlang der Kapillaren kann Holz sehr rasch Wasser aufnehmen. Unbehandelte Hirnholzböden sind daher ein relativ guter Puffer, mit der beste Puffer aller Baustoffe überhaupt (Padfield). Zum Klimatisieren von Vitrinen und Depots ist Holz allerdings wegen seiner Eigenschaft, Essigsäure und andere Schadsubstanzen abzusondern, weniger geeignet.
Hierfür eignen sich eher Papiere und Textilien. Bis 70% rF ist Papier auch vom Aufnahmevermögen ein besserer Feuchtigkeitspuffer als Holz (Ruoba 1994). Aufgrund ihrer großen aktiven Oberfläche reagieren Fasern relativ rasch auf Schwankungen. Dabei wird bei leicht quellbaren Fasern wie Zellulose-Regenerat der Endzustand schneller erreicht als bei weniger leicht quellbaren wie Flachs. Die Wasseradsorption der bestgeeigneten Fasern im mittleren rF-Bereich ist etwa halb so groß wie die von Holz aber immer noch brauchbar (siehe Graphik rechts, aus Worch 1996). Wolle scheidet aufgrund seines Schwefelgehalts für Vitrinen aus (Brimblecombe 1992). Gegen Viskose spricht vermutlich ebenfalls sein Schwefelgehalt, sodass in der Praxis zum Klimatisieren am ehesten ungefärbte Baumwolle zum Einsatz kommen kann. Textilien benötigen natürlich weit mehr Volumen als die gleiche Gewichtsmenge Silikagel. | ![]() |
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Ein weiterer kennzeichnender Faktor der organischen Materialien ist ihre ausgeprägte Hysterese, d.h. dass bei Wasseraufnahme oder Wasserabgabe unterschiedliche Gleichgewichtsfeuchten entstehen (siehe Graphik links, aus Worch 1996). Auch Silikagele und Tone zeigen diese Eigenschaft, wenn auch in geringerem Maße. Hysterese wirkt sich vor allem bei großen rF-Schwankungen aus. Bewegt man sich in einem eng umgrenzten rF-Bereich, ist der Effekt viel geringer. Bei Temperaturschwankungen erfolgen Adsorption und Desorption gleichzeitig und spielt die Hysterese keine wesentliche Rolle mehr (Landoldt-Börnstein 1955 , 4121, p. 170f). |
Zu beachten ist dagegen, dass Adsorption und Desorption unterschiedlich schnell verlaufen - so ist bei organischen Substanzen die Adsorption ein mehrfaches schneller als die Desorption. Ein Kunstwerk in feuchtem Klima stehen zu lassen, wirkt sich somit schneller aus als ein Aufenthalt in trockenem Klima.
Nächstes Kapitel: 2.2 Spezielle Puffer für den mittleren Feuchtebereich