Klimatisierung von Vitrinen und Depotschränken in der Praxis

3.2 Vitrinenklimatisierung, Beispiele aus der Museumspraxis (von 1998)

Grundsätzlich ist vom Eigenbau von Vitrinen durch Museumswerkstätten oder lokale Handwerksfirmen dringend abzuraten! Das Know-how der spezialisierten Vitrinenhersteller wird leider häufig unterschätzt. Von Fachfremden handgestrickte Vitrinen genügen allzu meist den heutigen Museumsanforderungen in wichtigen Punkten nicht (Unbedenklichkeit der Werkstoffe, Stabilität, Sicherheit, Handling, Beleuchtung, Dichtigkeit...). Für einen einmaligen Einsatz oder fürs Depot, wo die Optik eine untergeordnete Rolle spielt, lassen sich jedoch auch mit geringem Aufwand im Eigenbau ausreichend dichte Vitrinen herstellen.

Bei einem Eigenbau einer kleinen Tandem-klimatisierten Depotvitrine am Augustinermuseum Freiburg wurde vollständig auf Dichtungen verzichtet und lediglich die Frontscheibe gegen den plan gearbeiteten Vitrinenkörper gepresst - ausreichend für mehrjährige Wartungsintervalle.

Die Vitrine beinhaltet eine Reihe bemalter historischer Wirtshaus- und Zunftschilder, die aufgrund von Salzbelastung relativ trocken gelagert werden sollten. Als Klimamittel dient eine gesättigte MgCl-Lösung. Aus Gründen der Ordnung sollte die Vitrine in einem bestehenden Schrank untergebracht werden.
Bei dieser Wandvitrine für eine Wechselausstellung verlief hinter dem Rückbrett eine Alu-Verbundfolie, die mit doppelseitigem Acryl-Klebeband auf der Rückseite der Haube festgeklebt wurde. Die Folie wurde dann um die Außenkanten der Haube herum bündig abgeschnitten. Die rF in der Vitrine veränderte sich im Ausstellungszeitraum nicht messbar.
Für diese 2,70 m breiten Vitrine wurde ein Holzkasten hergestellt, der komplett mit Alu-Verbundfolie ausgeschlagen wurde. Nur auf schmalen Streifen entlang der Glaskante lag das Holz frei. Auf der Rückwand wurde aus optischen Gründen eine dünne Holzplatte über die Verbundfolie montiert. Ansonsten wurde das Klima nicht durch Holzwerkstoffe beeinflusst.
Die Plexiglasscheibe wurde mit Pressleisten auf eine umlaufende Dichtung aus einem 4 mm Silikonschlauch aufgedrückt. Die Graphik liegt auf einer Holzplatte, die etwas kleiner gehalten wurde, sodass sich umlaufend 2 cm breite Schlitze bildeten (ähnlich Graphik rechts). Auf der Rückseite wurde eine Luke aufgeschraubt, durch die Feuchtigkeitspuffer eingebracht werden konnte (4 Kassetten ART SORB). Das Vitrinenklima stellte sich auf den gewünschten Wert ein.

3.2.1. Demontierbare Wechselvitrinen

Demontierbare Wechselvitrinen besitzen naturgemäß eine geringere Dichtigkeit als fest verklebte. Zur Abdichtung vorhandener Vitrinen für eine Wechselausstellung wurden die Sockel mit Aluminium-Verbundfolie oder dicker PE-Folie ausgeklebt. Die Vitrinendeckel wurden mit PE-Folie ausgeklebt oder mit Plexiglas abgedeckt, das seitlich mit Silikon abgespritzt wurde. Die Frontscheiben wurden mit Keilen in den Führungsnuten zusätzlich gegen die Dichtungen gedrückt und bei Bürstchendichtungen die Fugen zusätzlich mit Stücken Klebestreifen zugezogen.

Ein gravierendes Problem waren die Vitrinenböden, die zuvor monatelang in einem Keller bei 80% rF gelagert waren. Sie wurden daher 2 Monate vor der Ausstellung zum Vorklimatisieren in entsprechend klimatisierte Räume gebracht. Wie das nebenstehende Diagramm von Padfield zeigt, konnten damit allenfalls die obersten 1 - 2 mm auf den gewünschten rF-Wert gebracht werden. Im Grunde sind also Holz-Vitrinenböden denkbar ungeeignet für Klimavitrinen, nicht nur wegen der Schadstoffemissionen sondern auch weil sie sich kaum in einem praktikablen Zeitraum auf die richtige rF bringen lassen. Vitrinenböden aus Metall wie Lochblech wären hier eine bessere Alternative, ggf. auch Melamin-beschichtete Platten oder auch Marmor.

 

 

 

 

 

Das Problem wurde noch verschärft durch riesige Holzeinbauten, die zusätzlich, und - für Wechselausstellungen typisch -, erst kurz vor Ausstellungsbeginn eingebracht wurden. Ein Einsteckfühler für Holzfeuchte ergab, dass die Platten im Kern relativ trocken waren. Da das Klima im Ausstellungsraum mit 65% rF über dem Sollwert der Vitrinen lag, war zu hoffen, dass die Platten die Vitrinen auf die Dauer eher trocken halten würden.

Insgesamt wird Vitrinenklimatisieren auf diese Weise jedoch zu einem Glückspiel, das sich kaum mehr kalkulieren läss:. Für den Anfang waren die Vitrinen aufgrund des Farbanstrichs und der Lagerung im Ausstellungsraum während des Aufbaus äußerlich eher zu feucht. Glücklicherweise hatten wir bei allen Vitrinen noch eine Woche Zeit, um die Vitrinen vorzuklimatisieren. Wir hatten eine genügende Menge ART SORB auf den unteren Wert des Sollbereichs eingestellt und maß in allen Vitrinen das Klima mit Thermohygrographen oder den kleinen ARTEN-Thermohygrometern. Es zeigte sich bald, dass die Art Sorb Kassetten mit ihrer vergleichsweise kleinen Oberfläche nicht gegen die großen Pufferflächen der Einbauten ankamen. Es wurden also zum weiteren Trocknen auf den Vitrinenboden Trockenmittelbeutel zugegeben, die jeweils ca. 12 g Wasser (bis 40% rF) aufnehmen können. Die rF in der Vitrine sank dadurch nicht schlagartig ab sondern senkte sich langsam, teilweise erst nach Zugabe einiger weiterer Beutel. Nach 1 Woche war das Klima stabil in den gewünschten Bereichen. Es war davon auszugehen, dass auch wenn die Vitrinen einige wenige Male zum Bestücken kurz geöffnet würden, sich doch das Klima auf den geforderten Werten halten ließe.

Versuch, die riesigen Holzeinbauten vorab mit Kassetten und Trockenbeuteln vorzuklimatisieren.

Die gleiche Vitrine während der Ausstellung.

Es zeigte sich jedoch, dass trotz sehr guter Vorbereitung seitens der Kunsthistoriker die Vitrinen vor Ausstellungsbeginn nicht nur 2-3 mal sondern eher 10-15 mal geöffnet wurden, was durchaus als typisch angesehen werden kann: Leihgaben trafen zu verschiedenen Zeiten ein, mussten aber sofort eingeschlossen werden, Einbauten mussten angepasst, Sockel neu gebaut und gestrichen werden etc., All dies geschah, während das Klima im Ausstellungsraum ca. 10-25% rF über dem geforderten Vitrinenklima lag. Alles in allem ergabs sich für die Holzplatten und Textilbespannungen reichlich Gelegenheit, sich wieder mit Feuchtigkeit aufzuladen. Das Sollklima stellte sich erst während der Ausstellung daher erst nach einiger Zeit und teilweise erst nach Zugabe weiterer Trockenmittelbeutel ein.

Die geschilderten Fälle aus der Praxis sollen nicht als Vorbild dienen, sondern die die diversen Probleme mit Eigenbauvitrinen oder improvisierten Klimavitrinen veranschaulichen. Zwar lassen sich mit einigem Improvisationsgeist und Zeitaufwand durchaus klimatisch passable Ergebnisse erzielen. Gerade bei Klimavitrinen stellt sich die Verwendung von Holzmaterialien als sehr nachteilig heraus. Der Kostenersparnis durch Selbstbau und den Einsatz von Holzplatten steht ein deutlich höherer Zeitaufwand entgegen, der bei jeder neuen Ausstellung aufs Neue anfällt. Das Ergebnis lässt sich zudem nicht mit Sicherheit vorhersagen.
Sicher ist dagegen, dass die ausgestellten Exponate durch die organischen Säuren aus den Holzwerkstoffen zusätzlich belastet werden.

 

 

 

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