4.0 EinführungWillkommen zu einem Streifzug durch die böse Welt der Luftschadstoffe. Nachdem viele Jahre ein Hauptaugenmerk der präventiven Konservierung der Klimatisierung von Museumsräumen und Vitrinen galt, hat die Problematik der Luftschadstoffe unter den Restauratoren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. So wurde beispielsweise festgestellt, dass das Einschweißen von Textilien oder Büchern zwar einerseits klimatische Dimensionsänderungen unterbindet, dies jedoch aufgrund der flüchtigen organischen Säuren, die von den Objekten emittiert werden und sich im Folienbeutel ansammeln, insgesamt eine Verschlechterung der Erhaltungsbedingungen bewirken kann. |
Bleiskulptur, geschädigt durch Essigsäure-Emissionen. Aus: www.iaq.dk |
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Schadstoffe können also von den Exponaten selbst ausgehen, sie können aber auch aus verbauten oder eingestellten Materialien wie Fußbodenbelägen oder Vitrinenteilen ausgasen. Andere Schadgase oder Stäube und Partikel gelangen je nach Lüftungssystem aus der umgebenden Außenluft in die Räumlichkeiten. Auch der Mensch selbst kann aufgrund seiner Atmung und durch den Eintrag von Schmutzpartikeln als Quelle für Schadstoffe in Museen und Archiven angesehen werden. Je nachdem, aus welchem Material oder aus welcher Materialkombination ein Objekt besteht, können Luftschadstoffe erhebliche Schäden am Kunst- und Kulturgut anrichten. Eine eindrucksvolle Bildergalerie ist unter www.iaq.dk zu betrachten. Da die Schadgase unsichtbar sind und der Geruchssinn nicht immer in der Lage ist, relevante Konzentrationen wahrzunehmen, ist besondere Vorsicht geboten.
In den letzten Jahrzehnten hat sich bezüglich der Schadgasproblematik im Bereich von Kunst- und Kulturgütern ein breiter Forschungszweig gebildet, an dem neben Chemikern, Physikern und Ingenieuren auch spezialisierte Restauratoren beteiligt sind. Die Liste an Publikationen ist sehr lang und wird ständig erweitert, zudem finden regelmäßig verschiedene Tagungen zu dieser Thematik statt (z.B. Indoor Air Quality Meeting).
Die folgenden Seiten sollen einen Überblick über die wichtigsten Schadstoffe, verschiedene Nachweismethoden und Strategien zur Verminderung von schädigenden Gasen und Partikeln bieten. Dabei werden häufig Hinweise auf weiterführende Literatur sowie auf Hersteller und Bezugsadressen verschiedener Produkte gegeben. Zuletzt findet sich eine Bibliographie, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben kann und ständig zu erweitern ist.
Luftschadstoffe gelangen von der Außenluft in das Gebäudeinnere oder sie werden im Innenraum von Ausstattungs- und Baumaterialien oder von den Exponaten selbst emittiert (vgl. Abb. unten). Die klimatische Umgebung hat direkten Einfluss. So werden bei hoher Temperatur oder relativer Luftfeuchtigkeit vermehrt Schadgase abgegeben (Schieweck 2006). Die verschiedenen Luftschadstoffe beeinträchtigen nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern wirken sich auch auf Kunst- und Kulturgüter aus.
Im Folgenden werden die wichtigsten Luftschadstoffe und deren Schädigungspotenzial in Bezug auf verschiedene Materialgruppen beschrieben. Auswirkungen auf den menschlichen Organismus werden nicht erläutert, Angaben hierzu siehe Schieweck 2006.
Die Abbildung an dieser Stelle musste leider auf Betreiben von Herrn Prof. Dr. Tunga Salthammer entfernt werden. Die Abbildung (Table 1) ist gegen Bezahlung erhältlich unter http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S135223100500556X oder gratis online, auf Englisch unter http://www.hfbk-dresden.de/fileadmin/alle/downloads/Restaurierung/Dissertation%20Alexandra%20Schieweck.pdf (Seite 15)
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Organische Säuren als Endprodukte des Zerfalls organischer Substanz sowie Aldehyde sind in unterschiedlichem Maß in den meisten Vitrinen und Depotschränken anzutreffen. Viele Materialien, nicht zuletzt die Kunstwerke selbst, können ihre Umgebungsluft mit diesen Schadstoffen belasten (siehe Liste Tétreault 1992).
Holzwerkstoffe aller Art und jeden Alters sind für empfindliche Museumsgegenstände als schädlich einzustufen. Sie setzen Essigsäure, Ameisensäure und Formaldehyd frei, manche Holzarten (Fichte, Pappel) weniger, manche mehr (Kastanie, Buche, Birke und ganz besonders Eiche), frisches Holz mehr als abgelagertes (Pietsch 1994, Lee 1996). Besonders viel Säure wird über die Hirnholzseiten abgegeben.
Essigsäure, der wichtigste von Holz abgegebene Schadstoff, entsteht durch Hydrolyse der Acetylgruppen der Hemizellulose bzw. von Seitenketten des Lignins. Die höchste Emissionsrate von Essigsäure ist bei der Eiche nachweisbar. Ameisensäure entsteht durch die Oxidation von Formaldehyd (s.u.) in der Raumluft oder an Oberflächen. Die genannten Säuren werden außerdem von holzhaltigen Produkten wie Papier, Pappen und Kartonagen emittiert. Diese Produkte sind daher zur Lagerung säureempfindlicher Materialien wenig geeignet. Als weitere Quellen für organische Säuren kommen PVAc-Kleber, essigsäureabspaltende Silikonharze, Zelluloseacetat (Filme, Folien etc.), Lacke, Ölfarbenanstriche, Haushaltsreiniger und viele weitere Materialien in Frage (Schieweck 2006).
Die Menge der abgegebenen flüchtigen Säuren steht in Zusammenhang mit dem pH-Wert des jeweiligen Holzes. Dieser lässt sich durch zweistündiges Einrühren von 5 g Holzspänen in 100 ml destillierten Wassers bestimmen. Tétreault 1999 (2) vermeldet den pH-Wert vieler Holzarten, der je nach Herkunft des Werkstoffs unterschiedlich sein kann. Holz mit einem pH-Wert <5 sollte nicht zum Einsatz kommen.
Auch das Klima spielt eine Rolle: Bei hoher relativer Luftfeuchtigkeit und Temperatur wird weit mehr Säure freigesetzt.
Formaldehyd zählt zu den bekanntesten Luftschadstoffen. In Vollholz sind geringe Mengen von Formaldehyd nachweisbar. In weitaus größeren Mengen wird es u. a. von Spanplatten und mitteldichten Faserplatten (MDF) emittiert, die mit Harnstoff-Formaldehyd-Harz gebunden sind. Heutzutage sind alle Span-,
Sperrholz- und Tischlerplatten nach der Norm
E1 formaldehydarm und die durchschnittliche Belastung von Innenräumen ist rückläufig (Seifert 2003). In der Regel verbleibt jedoch ein Restgehalt an Formaldehyd, der - im Besonderen in sehr dichten
Vitrinen - beträchtliche Schadstoffkonzentrationen aufbauen kann (siehe auch Schieweck 2009 (1+2)).
Phenolformaldehyd-Harz (PF)-gebundene Platten (z.B. V100) emittieren
zwar deutlich weniger Formaldehyd als Harnstoff-Formaldehyd-Harz (UF)-gebundene
Holzwerkstoffe, sie setzen dafür aber mehr Essigsäure frei (Pietsch 1994).
Spanplatten auf Isocyanatbasis sind im Kleber formaldehydfrei,
es verbleiben jedoch auf jeden Fall die Schadstoffe aus dem Holzwerkstoff
selbst.
Weitere Emissionsquellen von Formaldehyd können Appreturen von Textilien
oder nicht richtig ausgehärtete Einbrennlackierungen sein (Grzywacz
1998). Formaldehyd ist ein starkes Reduktionsmittel und reagiert mit Zellulose
und einer Vielzahl weiterer Materialien, es verhärtet z.B. Bindemittel
und Leder. Formaldehyd kann - katalysiert durch Säuren, Basen oder
Metalle - zu Ameisensäure oxidiert werden und so zu säureinduzierten
Schäden führen, z.B. auf Blei und anderen Metallen. Die Konzentration
von Formaldehyd kann saisonal schwanken (Eremin
1998).
Ebenfalls zu nennen ist das Aldehyd Furfural. Hierbei handelt es sich um einen Schadstoff, der bei der Verwendung von Presskorkprodukten in die Umgebungsluft gelangen kann. Die Emission geschieht meist zeitgleich mit der Freisetzung von Essigsäure und ist auf die thermische Zersetzung der im Kork enthaltenen Hemicellulosen während des Produktionsprozesses zurückzuführen (Schieweck 2006).
Allgemein beschleunigen organische Säuren die Zersetzung aller organischen Materialien (Papier, Textil, Leder etc.). Es kommt zu einer Erhöhung der Hydroloyserate und zu einer Verringerung der Kettenlänge wodurch die Brüchigkeit zunimmt (Pietsch 1994, Dupont 2000).
Metalle und kalkhaltige Materialien
Carbonsäuren wie Essig- und Ameisensäure führen zur Korrosion von Metallen und kalkhaltigen Materialien. Formaldehyd kann zu Ameisensäure oxidieren (s.o.) und hat somit ebenfalls Gefährdungspotential. Das Schadensbild zeigt sich in Form verschiedener Korrosionsprodukte, die langfristig die völlige Zerstörung der Objekte bedingen können.
Von den Metallen reagiert vor allem Blei. So führt die Korrosion hier zur Bildung von weißem Bleiacetat bzw. Bleiformiat (Abb. unten links und Mitte). In geringerem Maße reagieren auch Zink, Kupfer, Bronze und Eisen empfindlich auf organische Säuren (zu Blei und Kupfer siehe auch Tétreault 2003 (3)).
Kalkhaltige Materialien wie Eier, Muscheln und Schnecken bilden in carbonsäurehaltiger Umgebung Ausblühungen in Form eines weißen, pudrigen Belags. Man spricht hierbei von Byne's Krankheit, benannt nach dem Entdecker des Phänomens. Auch auf kalkgebundenem Sandstein und Keramiken kann es durch eine Reaktion mit hygroskopischen Salzen zu Ausblühungen kommen (Abb. unten rechts). Es handelt sich um verschiedene Formen hydrierten Calciumacetats, kombiniert mit Chloriden und Nitraten (Grzywacz 1994, Ryhl-Svendsen 2001 (1), Halsberghe 2002, Schieweck 2006.)
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Ein römisches Bleirohr bröselte dahin in einer Vitrine mit Spanplattenboden, Vorarlberger Landesmuseum Bregenz (histor. Abbildungen). |
Bleikugeln, aufbewahrt in einer Eichenschatulle, zeigen weiße Ausblühungen. |
Weiße Ausblühungen mit abplatzender Oberfläche an einer ehemals bemalten Tonfigur, in einer Vitrine mit Spanplattenboden. Augustinermusem Freiburg |
Glas und Email
Die Zerfallsgeschwindigkeit von instabilem, sog. "krankem" Glas und Email
nimmt bei Anwesenheit von Ameisen- und Essigsäure stark zu (Abb. unten). Formaldehyd besitzt dagegen nur eine geringe schädigende Wirkung so lange es nicht zu Ameisensäure oxidiert. Schwankungen der relativen Luftfeuchtigkeit und der Temperatur wirken sich bei Anwesenheit der genannten Luftschadstoffe beschleunigend auf den Materialabbau aus. Nähere Informationen finden sich z.B. bei Torge 2000, Schieweck 2006 und bei Robinet 2009.
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Die Glaskrankheit äußert sich zunächst in flüssigen Tröpfchen auf der Oberfläche, dann in den typischen kleinen Sprüngen wie auf der Scheibe (Abb. links), dann in Abschuppungen (Abb. Mitte)... | ![]() |
...und schließlich im Zerfall wie beim Glasstein. Die entstandenen Korrosionsprodukte greifen wiederum den vergoldeten Kupferdraht an. Siehe hierzu Eggert 2012 .
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Weitere flüchtige organische Verbindungen wie aliphatische Kohlenwasserstoffe, Aromaten, Alkohole, Ketone und Ester kommen mehr oder weniger häufig in Farben, Lacken, Fußbodenbelägen, Reinigungs- und Pflegemitteln vor. Nach Renovierungs- und Reinigungsarbeiten findet sich daher meist ein erhöhter Anteil dieser Substanzen in der Raumluft. Weitere Quellen bilden einige Restaurierungsprodukte, Klebemittel und Beschichtungen von Mobiliar (Schieweck 2006). Auch in neuen Vitrinen erfolgt durch Lösungsmittel und Zusatzstoffe in Anstrichen, Beschichtungen und Dichtungsmaterialien die Abgabe verschiedener flüchtiger organischer Verbindungen. Bei statischen Verhältnissen, wie sie in luftdicht abgeschlossenen Vitrinen vorliegen, laufen unter Anwesenheit von VOCs Nebenreaktionen ab, sodass sekundäre Verbindungen messbar sind. Als wichtigste Reaktion ist hier die Spaltung von Essigsäureestern aus Beschichtungsmaterialien zu nennen, die zu hohen Essigsäurekonzentrationen führt (Schieweck 2009 (1+2)).
Zu den schwer flüchtigen organischen Substanzen zählen z.B. Weichmacher, die zur Erhöhung der Elastizität spröden Kunststoffen oder Lacken beigemischt werden und auch in Textilappreturen zu finden sind. Diese so genannten Phtalate sind z.B. in Produkten aber auch in Kunstobjekten enthalten, die aus Weich-PVC (Polyvinylchlorid) bestehen. Die Weichmacher wandern im Lauf der Zeit an die Oberfläche, gasen aus oder werden durch Kontakt auf andere Objekte übertragen (Williams 1993, Shashoua 2001 und 2002).
Auch
verschiedene Holzschutzmittel, die im 20. Jahrhundert sehr häufig und in teilweise großen Mengen zur Bekämpfung von Schadinsekten in Holzobjekten zum Einsatz kamen, sind schwer flüchtig. Zwar verbleiben diese eingebrachten Biozide daher zum Teil innerhalb des Holzes, eine beträchtliche Menge wird jedoch im Laufe der Zeit über die Oberfläche abgegeben (zur weiteren Information siehe Schieweck 2006).
Oben genannte flüchtige Substanzen müssen nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht unbedingt schädlich für Kunst- und Kulturgüter sein (Tétreault 2003 (2)), es sei denn, sie führen durch Nebenreaktionen zur Freisetzung von Essigsäure (s.o.). Ihr teilweise intensiver Geruch besagt nichts über ihre Korrosivität. Insofern ist eine Messung der Gesamt VOC-Konzentraton wenig aussagekräftig.
Ebenso wie die Biozide können die flüchtigen organischen Verbindungen aber zu erheblichen Gesundheitsschäden führen.
Ausgasende schwer flüchtige Holzschutzmittel führen, je nach Zusammensetzung, zum Erweichen von Naturharzen oder zum Ausbleichen von Tinte. Sie können außerdem die Korrosion von Metallen beschleunigen (Schieweck 2006).
Sowohl die flüchtigen als auch die schwer flüchtigen organischen Verbindungen sind als Emissionsprodukte von Baumaterialien, Einrichtungselementen und Exponaten Gegenstand aktueller Forschungen (Schieweck 2007 (2)), sodass in näherer Zukunft neue Erkenntnisse zu erwarten sind.
Schwefeldioxid (SO2) entsteht hauptsächlich bei der Verbrennung fossiler
Brennstoffe wie Kohle und Heizöl. Die höchsten Konzentrationen in der Außenluft werden in industriellen Ballungszentren gemessen, bis 400 µg/ m³. Zum Teil liegen sie aber auch in Großstädten weit niedriger (z.B. Jahresmittel in Wien: 3 -4 µg/m³, mit Spitzen bis 80 µg/m³). In geschlossenen
Innenräumen liegt die SO2-Konzentration merklich niedriger als in der Außenluft (Hackney 1984), da es von vielen Oberflächen, insbesondere frischem Gips, sehr schnell absorbiert wird. In älteren Gebäuden ist die SO2-Konzentration bei geschlossenen Fenstern typischerweise halb so hoch wie außen (Thomson 1994). Insgesamt ist die Konzentration von SO2 im Innenraum stark von der Lage des Gebäudes und dessen Außenluftfilterung abhängig (Schieweck 2006). Außerdem gilt: Je größer die Entfernung zur Einlasstüre oder zu anderen Öffnungen, durch welche Außenluft einströmt, desto geringer wird die SO2-Konzentration sein. SO2 selbst ist
nur schwach sauer, es oxidiert jedoch weiter zu Schwefeltrioxid (SO3)
und reagiert dann sofort mit dem in der Luft enthaltenen Wasser
zu Schwefelsäure (H2SO4).
Schwefelsäure ist eine sehr aggressive Chemikalie. Sobald sie auf
eine Oberfläche trifft, lässt sie sich nicht mehr durch Reinigen
der Luft entfernen, da sie nicht flüchtig ist.
Eisen wird von den Metallen am stärksten durch Schwefeldioxid angegriffen. SO2, oft auch in Form von Ammoniumsulfat, spielt hierbei die Rolle des Elektrolyten, der neben Feuchtigkeit zur Korrosion erforderlich ist. In Stadtluft beginnt Eisen daher bereits ab einer rel. Luftfeuchtigkeit von 60% zu rosten. Ab 70% rF steigt die Korrosionsrate von Eisen in SO2-haltiger Luft steil an (Fitz 1983). Befinden sich einmal Elektrolyten auf dem Eisen, so ist es nicht ausreichend, das Eisen lediglich in saubere Luft zu bringen, es müssen dann auch die Elektrolyten abgewaschen werden (Thomson 1994).
Bei Papier, Leinwand und allen anderen zellulosehaltigen Materialien ist SO2 eine der hauptsächlichen Schadensursachen. Die Umwandlung von SO2 in Schwefelsäure erfolgt hier im Papier selbst, wobei Eisen-Verunreinigungen im Papier eine katalytische Wirkung besitzen. Durch Spaltung der Molekülketten wird das Papier brüchig. Ligninhaltiges Papier zeigt eine besonders hohe Affinität zu SO2, weshalb Bücher aus billigem Papier sich vom Rand her oft gelblichbraun verfärben. Michalski 1997 vermeldet eine Abnahme der Zugfestigkeit von Leinwand um ein Drittel nach 20 Jahren in Londoner Stadtluft.
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![]() Aus: www.knaw.nl |
![]() Roter Zerfall auf Buchrücken. Aus: www.2care.org |
Leder und Seide, in geringerem Maße auch Wolle und Pergament, werden ebenfalls von SO2 angegriffen. Ein bekanntes Beispiel ist der "Rote Zerfall", der insbesondere vegetabilisch gegerbtes Leder in eine pulvrige, rötliche Substanz verwandelt (Abb. links). Die pH-Erniedrigung führt bei Seide zu verstärkter Lichtempfindlichkeit (Thomson 1994). In ähnlicher Weise werden auch einige moderne Farbstoffe und einige Kunststoffe wie Nylon oder synthetische Gummis angegriffen. Bei den meisten Kunststoffen und Farbstoffen sind andere Schädigungsmechanismen jedoch weitaus bedeutender. |
Schwefelsäure ist ein wesentlicher Bestandteil des sauren Regens. Dessen schädliche Einflüsse auf Wälder sind ebenso bekannt wie die Bilder zerfallender Sandsteine und Glasfenster mittelalterlicher Kirchen. Die Wirkung der Schwefelsäure bleibt jedoch nicht auf die direkt beregneten Partien begrenzt: Auf geschützten Flächen ist sie oft sogar noch höher, da sie dort nicht vom Regen abgewaschen werden kann. Alle kalkhaltigen Steine, Putze und Fresken sind leichte Opfer der Schwefelsäure. Bei Glasfenstern ist Schwefelsäure zwar nicht erste Ursache des Zerfalls, sie bildet jedoch auf den Gläsern dicke, undurchsichtige Sulfatkrusten (Thomson 1994).
Da SO2 von vielen Oberflächen stark absorbiert wird, ist es relativ einfach, Kunstwerke im Depot vor diesem Schadgas zu schützen, z.B. durch eine Kartonverpackung aus reiner Cellulose. In diesem Zusammenhang ist die Dichtigkeit des Kartons bedeutsam: Faltschachteln haben z.B. häufig größere Stanzlöcher, durch welche Schadgase direkt zum Kunstwerk vordringen können. Schachteln mit eng anliegenden Stülpdeckeln sind hier wesentlich effektiver. Zusätzliches Einschlagen in Seidenpapier vergrößert die Schutzwirkung. Vitrinen bieten ebenfalls einen gewissen Schutz.
Als natürliches Produkt organischer Zersetzung ist Schwefelwasserstoff (H2S) in städtischen wie ländlichen Regionen mit einer Konzentration von 5 - 30 µg/m³ anzutreffen (Thomson 1994). Eine weitere Quelle ist der Mensch, der durch Ausdünstungen, insbesondere die Atmung, die Konzentration schwefliger Gase je nach Raumvolumen, Besucheranzahl und Lüftungsmöglichkeiten deutlich beeinflussen kann. Darüber hinaus werden schweflige Gase von Objekten oder verbauten Materialien im Innenraum emittiert, hier sind z.B. Wolle, Gummi, Kautschuk oder Klebstoffe auf Polysulfid-Basis zu nennen (Schieweck 2006).
Die Freisetzung von Carbonylsulfid (COS) geschieht durch Verbrennungsprozesse. Es handelt sich um ein Gas mit hoher Beständigkeit, das maßgeblich für Korrosion verantwortlich ist. Carbonylsulfid ist in Stadt- wie Landluft gleichermaßen enthalten. Die Konzentrationen der Außen- und Innenluft unterscheiden sich kaum, sie liegen jedoch in der Regel deutlich höher als die von Schwefelwasserstoff. Carbonylsulfid kann sich in Anwesenheit von Wasser zu Schwefelwasserstoff umbilden (Schieweck 2006).
Die natürlichen Konzentrationen von Schwefelwasserstoff und Carbonylsulfid genügen, um Silber langsam zu schwärzen. Rasche Schwärzung von Silber in Museen deutet auf lokale schwefelhaltige Quellen wie Gummi, Wolle oder Filz hin (Thomson 1994, Schieweck 2006). Hier ist anzumerken, dass auch so genannte Kunststofffilze in der Regel einen Wollanteil von mindestens 15% enthalten. Nur wenige Kunststofffilze sind wollefrei!
Die Reaktionsgeschwindigkeit mit Silber ist relativ hoch. Dies führt dazu, dass in einer Vitrine, in der Silber ausgestellt ist, nie eine hohe H2S-Konzentration messbar sein wird. Um Silber 100 Jahre vor dem Anlaufen zu bewahren, müsste die H2S - Konzentration auf 2 ng/m³ gehalten werden können (Tétreault 1999 (4)). Da schwefelhaltige Gase das Anlaufen von Silber bewirken, gefährden sie auch Schwarz-Weiß-Filmmaterialien. Die entstandene Sulfidschicht auf dem Silber schützt in keiner Weise vor weiterer Korrosion, die Reaktionsgeschwindigkeit bleibt unvermindert hoch (Dubus 2003).
Auch Kupfer und dessen Legierungen werden angegriffen (Abb. rechts). Sie reagieren mit Schwefelwasserstoff aus der Umgebungsluft zu Kupfersulfid, es bilden sich schwarze Flecken auf der Oberfläche. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt im Lauf der Zeit jedoch ab. Schwefelgase sind zudem Ursache für die Verschwärzung einiger Pigmente. So werden Bleipigmente in ihre Sulfide überführt, Bleiweiß bildet das schwarze Pigment Bleisulfid (Schieweck 2006). Bodenfunde aus anaeroben Fundorten (Nassholz, Keramik, Eisen) enthalten bisweilen elementaren Schwefel. Sie gasen schwefelhaltige Substanzen aus, die ebenfalls Silber und Kupfer angreifen (Eggert 1999). |
Die Messingschalen dieser in einer Schatulle aufbewahrten Münzwaage sind durch die jahrzehntelang aufliegenden Wollfäden bogenförmig geschwärzt. Augustinermuseum Freiburg. |
Ozon (O3) entsteht nicht nur in der höheren Atmosphäre sondern ist auch ein photochemisches Reaktionsprodukt von Stickoxiden aus Kfz-Abgasen und Kohlenwasserstoffen (Sommersmog). Außerdem kann es von elektrischen Geräten wie Fotokopierern oder bestimmten Lampen emittiert werden, wobei anzumerken ist, dass diese Elektrogeräte seit 1994 in der Regel mit Ozonabsorbern ausgestattet sind. Die Konzentrationen können in Deutschland an Sommernachmittagen um die 200 µg/m³ erreichen, der natürliche Normalwert liegt bei 20 - 60 µg/m³. In Innenräumen liegt die Konzentration meist wesentlich niedriger, da Ozon rasch mit organischen Materialien reagiert und abgebaut wird. Der Ozonabbau geschieht vorrangig durch die Reaktion mit ungesättigten Kohlenwasserstoffen. Die dabei entstehenden Abbauprodukte sind organische Säuren, Aldehyde und Ketone, die ihrerseits wieder als Luftschadstoffe gelten (Schieweck 2006).
Ozon ist als starkes Oxidanz ein wesentlicher Faktor bei der Zersetzung nahezu aller organischen Materialien (Thomson 1994). Es führt zur Versprödung von Papier, Textilien und Gummi, zur Korrosion von Metallen und schädigt zudem fotografische Materialien (Schieweck 2006). Ozon ist zudem der schädlichste Luftschadstoff für organische Farbstoffe: Sie verbleichen oder reagieren mit Farbveränderung (Whitmore 1987).
Unter Stickoxiden (NOx) sind die gasförmigen Oxide des Stickstoffs, in der Hauptsache Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) zu verstehen. Stickoxide
entstehen bei hohen Temperaturen z.B. in Verbrennungsmotoren oder
bei Funkenentladungen. Zudem können Gasherde in museumsinternen Cafés als Schadstoffquelle fungieren (Schieweck 2006). Auch bei der Zersetzung von Cellulosenitrat
werden Stickoxide ausgedünstet. Cellulosenitrat wurde z.B. bei der Herstellung von Filmmaterialien (Abb. unten) oder Produkten wie Knöpfen, Kämmen oder Brillengestellen verwendet. Es ist auch in vielen zeitgenössischen Objekten enthalten. Die Schadstoffquelle kann sich also
auch in der Sammlung selbst befinden (Ryhl-Svendsen 2001 (1)). Ob es sich bei einem Exponat
in der Sammlung um Cellulosenitrat handelt, kann berührungslos mit
einem Infrarot-Spektrometer oder mit dem Diphenylamin-Spot-Test
getestet werden (Nilsen 1997, Williams 1997, Keßler 1999).
Die meisten Stickoxide sind instabil oder für Kunstwerke harmlos, so dass hauptsächlich Stickstoffdioxid eine direkte Gefahr darstellt. NO2 ist als Luftschadstoff von größerer Bedeutung als Ozon, da es sich an Innenraumflächen nicht so schnell abbaut. Außerdem ist es mit den handelsüblichen Luftfiltersystemen nur schwer kontrollierbar. Ohne geeignete Filterung ist die NO2-Konzentration in der Innenluft ebenso hoch wie in der Außenluft.
Stickoxide spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Ozon. Bei Anwesenheit von NO2 in der Troposphäre mit Sauerstoff bildet sich unter Einfluss von UV-Strahlung Ozon (Schieweck 2006).
Zersetzte Filmrolle aus Cellulosenitrat. Aus: Ryhl-Svendsen 2000 |
Schäden durch StickoxideStickstoffdioxid weist nach Ozon das stärkste Risikopotential für die Schädigung von Farbmitteln auf. Die enthaltenen Polymere können geschädigt, Farbstoffe ausgeblichen werden (Schieweck 2006). So reagieren z. B. Krapplack, Realgar und Auripigment mit Ausbleichen (Michalski 1990), in typischer Stadtluft ist eine erste Veränderung nach 5 Jahren erkennbar. An der Luft oder auf Materialoberflächen kann NO2 zu Salpetersäure, salpetriger Säure oder zu Nitratsalzen oxidieren. Diese sauren Verbindungen greifen säureempfindliche Materialien wie Papier, Textilien oder Farbmittel an. Salpetersäure führt zur Metallkorrosion, Hydrolyse von Zellulose und Proteinen sowie zur Zersetzung kalkhaltiger Materialien. Glücklicherweise ist Salpetersäure flüchtig: Im Unterschied zu Schwefelsäure setzt sie sich daher nicht auf Oberflächen fest sondern kann nur beim zufälligen Auftreffen mit Oberflächen reagieren. Bei Analysen von Zersetzungsprodukten werden daher eher Sulfate als Nitrate gefunden. |
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Messingverschraubung mit grüner Kupferkorrosion im Kontaktbereich mit einem PVC-Schlauch. Aus: Williams 1993 |
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Das Foto zeigt rötliche Verfärbungen. Aus: Ryhl-Svendsen 2001 (2) |
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Ammoniak (NH3) stammt hauptsächlich aus landwirtschaftlicher Nutzung und findet sich zunehmend in der Atmosphäre. Diese "Düngung aus der Luft" führt z.B. zum Vormarsch Stickstoff liebender Pflanzen wie Brennnesseln auf einstigen Magerrasen. In Innenräumen wird Ammoniak u.a. von Reinigungsmitteln, Klimaanlagen und Metallpolituren emittiert (Hatchfield 2002, Schieweck 2006).
Ammoniak führt zur Korrosion und zum Anlaufen von Metall und zur Schädigung von Firnissen. Außerdem begünstigt es die Verseifung von Ölen und ölhaltigen Schichten (Schieweck 2006).
Staub ist in Form von Ablagerungen anzutreffen, er ist aber auch unsichtbar als Schwebstoff in der Innenraumluft vorhanden. Man unterscheidet zwischen Hausstaub und Schwebstaub. Hausstaub bezieht alle Arten von Partikeln ein, die im Innenraum abgelagert sind. Schwebstaub bezeichnet eine disperse Verteilung fester Stoffe verschiedener Korngröße in der Luft.
Die Staubpartikel variieren in der Teilchengröße und besitzen je nach Herkunft eine unterschiedliche chemische Zusammensetzung. In der Außenluft entstehen Partikel vorrangig bei Industrieprozessen und bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Schieweck 2006). Inwieweit diese Teilchen in die Innenräume von Museen und Archiven gelangen, hängt direkt mit der Lüftung des jeweiligen Gebäudes zusammen. Je weniger Undichtigkeiten (Fenster, Türen, Luftschlitze etc.) eine Gebäude besitzt und je effizienter eine Luftfilteranlage aufgebaut ist, desto weniger Staub wird von der Außenluft eingetragen.
Im Innenraum sind hohe Besucherzahlen für hohes Staubaufkommen verantwortlich. Durch die Kleidung werden z.B. Straßenschmutz und Fasern eingetragen, zudem werden Hautschuppen und Haare abgegeben. Es kommt zum Abtreten von Fußbodenbelägen und der vorhandene Staub wird aufgewirbelt. Auch Bauarbeiten im Museum stellen ein ernstes Problem dar. So werden hierbei neben Holz- und Metallstäuben auch Stäube in Form von Kalk, Gips und Silikaten freigesetzt (Hatchfield 2002, Schieweck 2006).
Die eher kleinteiligen Schwebstäube stellen aufgrund ihrer geringen Teilchengröße vor allem ein gesundheitliches Problem dar, da sie über die Atmung aufgenommen werden können (Schieweck 2006). Jedoch können sich besonders kleine Partikel aufgrund thermophoresischer Effekte an vertikalen Flächen und an Unterseiten anlagern. Dies führt bereits bei geringen Mengen zu erheblichen ästhetischen Beeinträchtigungen und kann weitere Objektschäden bedingen (Hatchfield 2002). Teilchen mit einer Größe von 0,1-2 µm, wie sie durch Akkumulation aus Autoabgasen und Verbrennungsprozessen entstehen, enthalten Sulfate, Nitrate und weitere adsorbierte Schadgase und wirken somit besonders aggressiv auf Kunstgüter ein (Abb. rechts).
Größere Partikel lagern sich aufgrund der Schwerkraft schneller ab und sammeln sich auf horizontalen Flächen (Hatchfield 2002). Hauptverantwortlich für Schmutzschichten auf den Exponaten sind die Teilchengrößen > 10 µm (Knight 2001). Die Schmutzschichten bestehen aus mineralischen Stäuben (also scharfen Kristallen, die beim Abwischen die Oberfläche zerkratzen), organischen Partikeln wie Fasern, Hautteilchen und Pollen, oft vermischt und zusammengehalten von Fett und Ruß. Stäube sind hygroskopisch und meist sauer. Diese Eigenschaften führen z.B. zur Korrosion von Metallen oder anderen feuchtigkeits- und säureinduzierten Schäden. Alkalische Stäube (z.B. von Bauarbeiten) besitzen ebenfalls ein erhöhtes Schädigungspotential. Zudem können Staubpartikel als Träger diverser Schadgase fungieren und diese somit direkt auf die Oberfläche von Exponaten transportieren (Hatchfield 2002).
Partikelgrößen verschiedener Stäube. Aus: Thomson 1994
Trotz mehrfacher Bemühungen haben sich im musealen Bereich bisher keine internationalen Richtlinien für Schadstoffkonzentrationen durchgesetzt, sodass mehrere große Museen ihre eigenen Standards entwickelt haben (Tétreault 2003 (1). Die Ermittlung und Festlegung von Richtwerten in Bezug auf Schadstoffkonzentrationen ist aufgrund der Komplexität der verschiedenen Parameter sehr schwierig und wird unter Fachleuten immer wieder diskutiert (Schieweck 2007 (2)).
Zuletzt wurde von Tétreault ein Bewertungsschema angewendet, das aus dem toxikologischen Bereich stammt. Hierbei wird die Gefährlichkeit eines Luftschadstoffs in Bezug auf verschiedene Materialgruppen anhand der NOAEL- (No observed adverse effect level), der LOAEL- (Lowest observed adverse effect level) oder der LOAED (Lowest observed adverse effect dose) -Werte bestimmt (Tétreault 2003 (1) und Tétreault 2003 (2)). Dieses Richtwertekonzept ist jedoch kritisch zu betrachten, da sich die angegebenen Werte auf Studien und Versuche beziehen, die unter verschiedenen Bedingungen und Methoden ermittelt wurden und eine Vergleichbarkeit demnach schwierig ist. Schieweck 2006 gibt weiterhin zu bedenken, dass sich die Studien lediglich auf Einzelkomponenten oder einfache Substanzgemische beziehen. Eine Anwendung auf komplexe Substanzgemische sei hiermit nicht möglich. Die genannten Werte sollten daher nur als Anhaltspunkte und nicht als fester Richtwert genutzt werden. Die ausführliche Liste mit den ermittelten Werten findet sich bei Tétreault 2003 (2), auch Grzywacz 2006 hat in ihrer Publikation eine Tabelle mit verschiedenen empfohlenen Schadstoffgrenzwerten zusammen gestellt. Das American Institute for Conservation (AIC) stellt auf seiner Homepage eine Liste mit gesammelten Richtwerten in Bezug auf fotografische Materialien zur Verfügung.