4 Reduzierung von Luftschadstoffen in Museen und Archiven

Web-Version einer Unterrichtseinheit an der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Aktualisiert 2010 von Dorothee Fobes

4.4 Schadstoffverminderung in Ausstellung und Depot

Im Innenraum werden Schadstoffe hauptsächlich von verbauten Materialien und Anstrichen emittiert. In unmittelbarer Nähe zum Objekt können Vitrinen, Depotschränke, Schachteln und Kisten Schadstoffe ausgasen. Die wichtigsten Schadstoffe stellen hier die organischen Säuren, Aldehyde und Peroxide dar (Kapitel 4.1). Von Bedeutung ist auch der Schwefelwasserstoff, während die in der Außenluft typischen Schadstoffe Schwefel- und Stickstoffdioxid und Ozon eher eine untergeordnete Rolle spielen.
Schon bei der Ausstattung von Innenräumen, Vitrinen und Depotverpackungen sollte daher auf problematische Werkstoffe von vornherein verzichtet werden. Bei bereits bestehenden Einrichtungen ist ein Austausch gegen unbedenkliche Materialien ratsam.
Ist ein Austausch von Schadstoff emittierenden Werkstoffen z.B. aus finanziellen Gründen nicht möglich, so kann versucht werden, die Emissionen abzusperren oder zu verdünnen. Auch wenn die Exponate selbst Schadstoffe ausgasen, stehen Strategien zur Belastungsverminderung zur Verfügung.

In Bezug auf Vitrinen muss jedoch beachtet werden, dass auch Materialien, die als emissionsarm eingestuft sind, unter gewissen Bedingungen bedenkliche Schadstoffkonzentrationen freisetzen können. Bisher existieren keine Produkte, die speziell für die besonderen Bedingungen in Museen getestet wurden, die Materialprüfungen beziehen sich lediglich auf den Einsatz in normalen Gebäuden. So zeigen Studien von Schieweck 2009 (1), dass die Verwendung emissionsarmer Materialien beim Bau neuer Vitrinen nicht zwingend zu einer Absenkung der Schadgaskonzentrationen führt. Denn unter statischen Bedingungen, wie sie in luftdicht abgeschlossenen Vitrinen herrschen, akkumulieren sich die verschiedenen Materialemissionen, sodass die resultierende Schadstoffkonzentration den Sättigungsdampfdruck erreichen kann. Außerdem führen Ungenauigkeiten im Produktionsablauf, die z.B. durch manuelle Tätigkeiten bedingt sein können, zu Unterschieden in der Materialzusammensetzung. Testergebnisse sind daher nicht von langer Dauer, weshalb Produkte in regelmäßigen Abständen geprüft werden sollten (Schieweck 2009 (1+2)). Neben der Verwendung möglichst emissionsarmer Produkte, sollten daher beim Bau einer Vitrine auch der Einbau eines Lüftungssystems und der Einsatz spezieller Sorbentien zur Schadstofffilterung einkalkuliert werden.

 

nach oben4.4.1 Vermeidung von Schadstoffemissionen

Hilfen bei der Auswahl emissionsarmer Materialien für Vitrinen geben z.B. Tétreault 1993, Tétreault 1994, Lee 1996, sowie Hatchfield 2002, Hilbert 2002 und Tétreault 2003 (2).

Listen mit "Oddy"- getesteten Markenprodukten, wie sie das British Museum vorhält, gibt es im deutschen Sprachraum nicht. Unbekannte Materialien müssen daher ggf. untersucht werden (Kapitel 4.2). Hier können nur allgemeine Hinweise gegeben werden:

Material eher zu vermeiden eher geeignet
(Produkte können aber gefährliche Zusätze enthalten!)
Papiere, Kartons Holzschliffpapiere,
Recyclingpapiere
säurefreies, holzfreies Papier
(gefärbte Papiere vorher testen!)

 

Textilien

 

Wolle,
wollhaltiger Filz,
Nylon
ungefärbte Baumwolle,
Leinen (ggf. Appreturen vorher auskochen),
Polyester, Acryl, Glasfaser
(gefärbte und ausgerüstete Textilen vorher testen, Création Baumann bietet Oddy-getestete gefärbte Textilien an und prüft weitere Produkte auf Anfrage)
Naturmaterialien Leder, Blätter -
Kunststoffe, Farben, Kleber, Dichtungen Öllacke, ölmodifizierte Lacke (Alkydharze), Linoleum, PVC, PVAc, Nitrozellulose, essigsäureabspaltende Silikone und Beschichtungen, PVDC, Neopren, Kontaktkleber, vulkanisierter Gummi, tierischer Leim, Polyäther Acrylate, neutralvernetzende Silikone, Latexfarben, 2-Komponenten Epoxidharz, Celluloseether, Polyester, ABS Polyethylen, Polypropylen, PE/PP-Heißkleber (z.B. 3M Typ 3797 oder 3748), Polystyrol, Polycarbonat, Teflon, Mineralfarben
Selbstklebematerialien die meisten gängigen Acrylate auf Polyesterträger
z.B. Klebeband 3M Typ 850, (glasklar, 12 oder 24 mm)
oder doppelseitiges Klebeband 3M Typ 415,
(vgl. Hatchfield 2002)
Platten Holz (s.u.) (s.u.)

 

nach oben4.4.1.1 Holz

Der Werkstoff Holz ist bekannt für die Emission von organischen Säuren und Formaldehyd (Kapitel 4.1) und somit eigentlich ungeeignet für den Einsatz in Vitrinen oder Depots. Holz besitzt jedoch viele praktische und auch klimatische Vorteile, sodass es in der Praxis schwer fällt, völlig darauf zu verzichten. Im Folgenden werden Möglichkeiten der Absperrung und verschiedene Ersatzmaterialien beschrieben.

Absperren der Holzoberfläche

Durch Überziehen der Holzoberflächen mit säurefreiem Karton, Aktivkohlekarton oder Aktivkohlegewebe (Kapitel 4.5.1) lassen sich Schadstoffemissionen vermindern. Das Absperren der Oberflächen ist mit Melinex, Alu-Verbundfolie, Alufolie oder Melaminbeschichtungen möglich (Tétreault 1999 (3), Tétreault 2003 (2)). Alufolie lässt sich z.B. mit Paraloid B72 einpinseln und nach Ablüften des Lösungsmittels mit einem Bügeleisen auf Holzplatten aufbügeln. Die Platten können danach mit einem Dekostoff überzogen werden. Dieses Verfahren vermindert die Säurekonzentrationen erheblich, die Werte liegen jedoch noch immer weit höher als bei Verwendung unbedenklicher Werkstoffe wie Metall (s.u.).
Ein Lackieren der Holzoberflächen ist in der Regel nicht ausreichend und birgt in Form problematischer Lacke (Ölfarben, PUR-Lacke etc.) neue Gefahren. Tétreault 1999 (2) gibt Empfehlungen für die Auswahl von weniger bedenklichen Lacken, doch häufig steht für das korrekte Ablüften der Lacke (bei dichten Vitrinen mindestens 4 Wochen) nicht genügend Zeit zur Verfügung.

Ersetzen durch unproblematische Werkstoffe

Als Ersatzmaterialien für Holz kommen z.B. in Frage:

- Polyethylen- oder Polypropylen-Platten
- Plexiglas oder Polycarbonatplatten (auch als Stegplatten)
- Corian-Platten
- Wabenplatten aus Polypropylen oder säurefreiem Karton
- rein mineralische Fermacell-Powerpanel HD-Platten (Abb. rechts)
- Glas
- Marmor
- Ziegel, Lehmziegel
- Betonplatten
- Gips
- Metall (gekanntete Metallbleche sind häufig vom Biegeprozess her ölig!)

 
Fermacel-Powerpanel HD-Platte

Lassen sich Holzwerkstoffe nicht vermeiden, so sollten möglichst wenig bedenkliche Holzarten und Produkte Verwendung finden (Kapitel 4.1). So sind Phenolformaldehyd- gebundene Tischler- oder Sperrholzplatten den Span- und MDF-Platten vorzuziehen. Harnstoff-Formaldehydharz-gebundene Platten sollten nicht zum Einsatz kommen.

Anwendungsbeispiele

Mit etwas mehr Montageaufwand lassen sich auch Vitrinenrückwände und Sockel aus Metall oder Plexiglas herstellen und beziehen (Abb. unten). Als Kleber kommen Schmelzkleber auf Polyethylen- oder Polypropylen-Basis in Frage (z.B. 3M Typ 3748, erhältlich bei Tewipack, Kleinmengen erhalten Sie auch bei uns. Dieser Kleber wurde in England Oddy-getestet).

 

Metallsockel aus Lochblech, unter Verwendung von Schmelzkleber mit Textil bezogen
(Foto: Augustinermuseum Freiburg)

 

 

 

In der Fürstlichen Schatzkammer des Thurn und Taxis-Museums in Regensburg wurden Sockel aus Ethafoam 700-Platten hergestellt, welche mit einer Deck- und Bodenlage aus 3 mm - Museumskarton versehen wurden. Die Fixierung des Kartons erfolgte vollflächig mit Paraloid B 72, gelöst in Aceton. Die Bespannung der Sockelkörper und Plinthen wurde auf den Unterseiten und entlang der Stoffsäume mit Acrylharz Lascaux 498HV aufgeklebt (Kreutner 2010).

 

 


Sockel in der Fürstlichen Schatzkammer des Thurn und Taxis-Museums in Regensburg (Foto: Kreutner 2010)

 

nach oben4.4.2 Vermindern von Schadstoffkonzentration in geschlossenen Systemen

Schieweck 2009 (1+2) belegt, dass gerade in neuen Vitrinen, die in der Regel stark abgedichtet sind und somit eine niedrige Luftwechselrate aufweisen, merklich höhere Schadgaskonzentrationen gemessen werden als in älteren, weniger dichten Modellen. Der Bau undichter Vitrinen stellt jedoch keine Alternative dar, da bei solchen Modellen mit Staubeintrag und dem Eindringen von Luftschadstoffen aus der Umgebungsluft gerechnet werden muss und auch die klimatischen Aspekte müssen bedacht werden.
Neben der Vermeidung oder der Absperrung Schadstoff emittierender Materialien sind zur Konzentrationsverminderung in Vitrinen oder anderen geschlossenen Systemen daher die künstliche Lüftung, die Umluftfilterung und/oder die Anwendung passiver Sorbentien (Kapitel 4.5) ratsam. Unabdingbar sind diese Maßnahmen, wenn die Exponate selbst Schadgase ausdünsten oder der Einsatz problematischer Werkstoffe nicht umgangen werden kann.

 

nach oben4.4.2.1 Künstliche Lüftung

Durch eine ständige künstliche Lüftung wird die Konzentration der entstehenden Schadstoffe in der Vitrine verdünnt. Selbstverständlich muss die Zuluft sehr gut gereinigt sein, damit die Exponate durch eingeblasene Schadstoffe und Partikel nicht zusätzlich gefährdet werden. Insbesondere gilt dies für Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff, deren Konzentration in Vitrinen normalerweise geringer ist als in der Raumluft. Ein Klimagerät für Vitrinen ist z.B. das Reinluft-und Befeuchtungsmodul RK II (Hahn). Das Modul ist mit einer kleinen Filtereinheit bestückt, bei der die Luft über einen Atemfilter und durch eine Corrosion Intercept® Filtermatte geführt wird (Kapitel 4.5.3). In diesen Dimensionen ist dies eine gute Lösung einer Breitband-Zuluftfilterung. Eine Untersuchung zeigte, dass sich mit dieser Methode die Schadstoffbelastung auch in Vitrinen mit größeren Holzeinbauten vermindern lässt (Römich 1998).

 

nach oben4.4.2.2 Umluftfilterung

Die Umluftfilterung stellt die derzeit beste Lösung zur Schadstoffreduzierung in Vitrinen dar. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass die Luft bis in die hintersten Ecken der Vitrine mit einbezogen wird. Das Lüfter-Filter-Modul „APC-Modul“ (hergestellt von Sehner) wurde speziell für die Filterung von Schadstoffen in Ausstellungsvitrinen entwickelt. Das Filtermaterial lässt sich je nach Schadstofftyp variieren. Die Drehzahl des Lüfters ist passend auf das Filtermedium und das Vitrinenvolumen sowie die erforderliche Luftwechselzahl einzustellen. Das Lüfter-Filter-Modul kann in das Lüftungssystem klimatisierter Vitrinen integriert oder als separates Modul eingebaut werden.

Nächstes Kapitel: 4.5 Passive Sorbentien zur Schadstofffilterung

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