4 Reduzierung von Luftschadstoffen in Museen und Archiven

Web-Version einer Unterrichtseinheit an der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Aktualisiert 2010 von Dorothee Fobes

4.5 Passive Sorbentien zur Schadstofffilterung

 

4.5.3 Spezielle Sorbentien zum Schutz von Silber und Kupfer

Als Vorbild für effizienten Anlaufschutz für Silber stehen mir immer die verglasten Andachtstafeln mit Silberdrahtarbeiten aus Freiburg vor Augen. Bei diesen Tafeln ist das (vergoldete) Silber nur in den Randbereichen etwas korrodiert (siehe Pfeile Abb. links), im Zentrum aber nach über 200 Jahren noch völlig intakt und glänzend. Die vom Rand her eindringenden Schadstoffe haben mit dem Silber der Randbereiche reagiert und konnten somit die vergoldeten Silberdrähte im Zentrum nicht erreichen.

Wenn wir in Vitrinen nach ähnlichem Prinzip verfahren und die Schadstoffe dort ausfiltern, wo sie eindringen, können wir somit sehr lange Erfolg haben!

Detail einer Andachtstafel mit Hl. Otmar (Holzrahmen, verglast, Mitte 18.Jh). Erzdiözese Freiburg

Für das Anlaufen von Silber sind neben Schwefelwasserstoff noch einige Schadgase wie Schwefeloxide, Stickoxide und Chlor verantwortlich (Kapitel 4.1), wobei die relative Luftfeuchtigkeit ebenfalls von Bedeutung ist. Die bisher praktizierten Methoden, Silber durch Lacke, Beschichtungen oder flüchtige chemische Substanzen (VPI) zu schützen, haben alle nachteilige Wirkungen gezeigt. Die Anwendung von passiven Sorbentien zur Schadstoffaufnahme verhindert dagegen ein Anlaufen des Silbers ohne die Silberoberfläche zu tangieren oder zu verändern. Allgemeine Schadstoffsorbentien wie Purafil oder Aktivkohle sind in der Lage, das Anlaufen von Silber beträchtlich zu verzögern. Von den Aktivkohlen eignen sich am besten alkalisch imprägnierte Sorten zur Adsorption schwefliger Gase (Kapitel 4.5.1). In Vergleichstests hat sich jedoch gezeigt, dass spezielle Sorbentien auf der Basis von modifiziertem Zinkoxid oder Tücher mit Silberpartikeln noch wesentlich besser abschneiden.

nach oben4.5.3.1 Zinkoxid

Als spezielles Sorbens für Schwefelwasserstoff wird gerne Zinkoxid eingesetzt (Bradley 1989). In einem Vergleichstest verschiedener Produkte fand Michler 1997 die beste Wirkung beim Katalysator G 72-D (Südchemie München), einem Zinkoxidpräparat mit einer Oberfläche von 50 m²/g (Abb. rechts). Für die Anwendung in ruhender Luft wie in Vitrinen sollte man das Granulat zerkleinern.

Zinkoxidpräparat G 72-D

 

nach oben4.5.3.2 Silbertuch Pazifik

Das Silbertuch Pazifik (Pacific Silver Cloth, Springs Industries) ist ein Baumwolltextil, in das Tausende feiner Silberpartikel eingearbeitet sind. Bei der Herstellung wird ein Baumwolltuch mit Silbernitrat getränkt und anschließend das Silber auf dem Baumwolltuch ausgefällt. Auf der Oberfläche der Fasern liegt somit reines, kolloidales Silber vor, das den Schadgasen eine sehr große Angriffsoberfläche bietet. Die braune Färbung des Textils rührt vom kolloidalen Silber her.

Werden Silbergegenstände darin eingewickelt, so dringen die Schadstoffe nicht zum Gegenstand vor, da sie bereits im Silbertuch reagieren. Das Tuch ist besonders geeignet für Silberwaren in Depotschränken oder im liturgischen Gebrauch, für die aus dem Stoff passende Schutzhüllen genäht werden. Bei Schubladen wird ein loser Stofflappen ganzflächig über die Silbergegenstände gelegt, sodass der Schubladeninhalt vollständig geschützt ist.

Auch in Vitrinen wird Pacific Silver Cloth mit Erfolg angewendet (Stock 1996, Samieske 1996). Es wird idealerweise so platziert, dass eindringende Schadstoffe gezwungen sind, durch das Silbertuch zu strömen, bevor sie das Silberobjekt erreichen können. Das Silbertuch wird somit am besten in die Nähe der Undichtigkeiten angebracht, bei Sturzvitrinen z.B. in der Nut für die Sturzhaube. Sofern es aus optischen Gründen nicht möglich ist, das Silbertuch in der Nähe der Öffnungen anzubringen, sollte den Schadstoffen eine größt mögliche Fläche an Silbertuch angeboten werden (durch Beziehen der Rückwand o.ä.), um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Schadstoffe mit dem Silbertuch reagieren und nicht mit dem Silberobjekt.

Schutztasche aus Silbertuch Pazifik

In Vergleichstests zeigte sich das Silbertuch Pazifik überlegen gegenüber mit Metalloxiden imprägnierten Geweben oder Papieren (Ankersmit 2000). Das Silbertuch darf nicht mit VPI (Vapour Phase Inhibitor)-Tüchern verwechselt werden, welche Chemikalien verdampfen. Beim Pacific Silver Cloth ist nur Silber eingearbeitet, Nitrat ist nicht mehr nachweisbar. Die Farbe des Silbertuchs verschiebt sich durch die Aufnahme der Schadgase nach Dunkelbraun bis Schwarz.

nach oben4.5.3.3 Corrosion Intercept®

Schutzhüllen für Metallobjekte
www.universityproducts.com

Nach ähnlichem Prinzip wie das Pazifik Silbertuch funktioniert der Corrosion Intercept®-Film (Engineered Materials, Inc.), der ursprünglich aus dem Bereich der Elektronikverpackungen stammt. Hierbei handelt es sich um eine PE-Folie mit eingebetteten feinsten molekularen Kupferteilchen. Schwefelwasserstoff, Carbonylsulfid, Chlor und Chlorwasserstoff werden von der Folie aufgenommen, sodass Metalle (z.B. Silber und Kupfer), die in Corrosion Intercept Folie verpackt sind, sicher gegenüber diesen Schadgasen geschützt sind. Auch Ozon, alkalische Materialien und saure Gase reagieren laut Hersteller mit der Folie (Hatchfield 2002). Die rotbraunen, schwach duchscheinenden Folien sind als Rollenware, Flachbeutel oder Stretchfolie erhältlich. Die eindringenden Schadgase reagieren mit dem Kupfer und färben es allmählich schwarz. Es lässt sich somit erkennen, wann die Folie ausgetauscht werden muss.

Schutzhülle für CDs. Aus: www.talasonline.com

Über die Menge des eingearbeiteten Kupfers gibt es keine Angaben. Nach ähnlichem Prinzip arbeitet der völlig undurchsichtige Static Intercept Film (Engineered Materials, Inc.), bei dem neben Kupfer auch Graphit eingearbeitet ist. Die Oberfläche der Static Intercept Filme ist leicht hygroskopisch, was die Aufnahmefähigkeit für Schadgase noch erhöht (Hatchfield 2002). Die heutigen hochdichten, keramisch beschichteten Transparentfolien (ESCAL) können die Interceptfolien in manchen Anwendungen ersetzen.

Filtermatte aus Polymerschaum

Ein weiteres Produkt sind die Corrosion Intercept®-Filtermatten, bei denen die Kupferteilchen in Polymerschaum eingebettet sind. Die Matten können zur Schadstoffreduzierung und gleichzeitigen Staubfilterung in Luftfiltern, Vitrinen und Verpackungen eingesetzt werden. Auch hier dient die Farbveränderung von kupferbraun nach lichtgrau als Indikator für die Wirksamkeit.



nach obenZusammenfassung

Auch wenn die beschriebenen Verfahren zum Teil noch weiter erforscht und optimiert werden können, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt doch einige effektive Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung, mit denen die Bedingungen für die Erhaltung des Kulturguts in Museumsräumen und Vitrinen entscheidend verbessert werden können.

Defizite bestehen noch immer bei der Analytik. Es stehen noch zu wenig Verfahren zur Verfügung, um auf einfache, schnelle und kostengünstige Art Schadgaskonzentrationen zu messen und zu überwachen. Mehrere Forschungsprojekte hierzu sind in den letzten Jahren trotz hohem Finanzaufwand verpufft, ohne dass für Museen nutzbare Ergebnisse das Licht gesehen hätten. Dies ist durchaus auch als Kritik an den geldgebenden Institutionen zu verstehen, die sich nach der Grundlagenforschung nicht um deren praktische Umsetzung kümmern.

Auch fehlt in Deutschland ein zentrales Forschungsinstitut, das auf einfache Weise mit allen Arten von Tests beauftragt werden kann und das konkrete Hilfestellung bei der Auswahl von Materialien gibt.


Thanks to:
Mein herzlicher Dank geht an Frau Maria-Theresia Worch für die Anregung zu dieser Arbeit sowie an: Bart Ankersmit, Amsterdam; Andrea Fischer, Stuttgart; Gunnar Heydenreich, Düsseldorf; Lisa Nilsen, Stockholm; Herr Nolden, Braunschweig; Rainer Richter, München; Jorun Ruppel, Stuttgart; Alexandra Schieweck, Braunschweig; Matthias Stappel, Neu-Anspach; Ted Steemers, Den Haag; Anngrit Gerber, Dortmund, sowie die genannten Firmen.

Nächstes Kapitel: 4.6 Bibliographie und Links

 

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