4.5.3 Spezielle Sorbentien zum Schutz von Silber und KupferAls Vorbild für effizienten Anlaufschutz für Silber stehen mir immer die verglasten Andachtstafeln mit Silberdrahtarbeiten aus Freiburg vor Augen. Bei diesen Tafeln ist das (vergoldete) Silber nur in den Randbereichen etwas korrodiert (siehe Pfeile Abb. links), im Zentrum aber nach über 200 Jahren noch völlig intakt und glänzend. Die vom Rand her eindringenden Schadstoffe haben mit dem Silber der Randbereiche reagiert und konnten somit die vergoldeten Silberdrähte im Zentrum nicht erreichen. Wenn wir in Vitrinen nach ähnlichem Prinzip verfahren und die Schadstoffe dort ausfiltern, wo sie eindringen, können wir somit sehr lange Erfolg haben!
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Detail einer Andachtstafel mit Hl. Otmar (Holzrahmen, verglast, Mitte 18.Jh). Erzdiözese Freiburg |
Für das Anlaufen von Silber sind neben Schwefelwasserstoff noch einige Schadgase wie Schwefeloxide, Stickoxide und Chlor verantwortlich (Kapitel 4.1), wobei die relative Luftfeuchtigkeit ebenfalls von Bedeutung ist. Die bisher praktizierten Methoden, Silber durch Lacke, Beschichtungen oder flüchtige chemische Substanzen (VPI) zu schützen, haben alle nachteilige Wirkungen gezeigt. Die Anwendung von passiven Sorbentien zur Schadstoffaufnahme verhindert dagegen ein Anlaufen des Silbers ohne die Silberoberfläche zu tangieren oder zu verändern. Allgemeine Schadstoffsorbentien wie Purafil oder Aktivkohle sind in der Lage, das Anlaufen von Silber beträchtlich zu verzögern. Von den Aktivkohlen eignen sich am besten alkalisch imprägnierte Sorten zur Adsorption schwefliger Gase (Kapitel 4.5.1). In Vergleichstests hat sich jedoch gezeigt, dass spezielle Sorbentien auf der Basis von modifiziertem Zinkoxid oder Tücher mit Silberpartikeln noch wesentlich besser abschneiden.
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Zinkoxidpräparat G 72-D |
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In Vergleichstests zeigte sich das Silbertuch Pazifik überlegen gegenüber mit Metalloxiden imprägnierten Geweben oder Papieren (Ankersmit 2000). Das Silbertuch darf nicht mit VPI (Vapour Phase Inhibitor)-Tüchern verwechselt werden, welche Chemikalien verdampfen. Beim Pacific Silver Cloth ist nur Silber eingearbeitet, Nitrat ist nicht mehr nachweisbar. Die Farbe des Silbertuchs verschiebt sich durch die Aufnahme der Schadgase nach Dunkelbraun bis Schwarz.
Schutzhüllen für Metallobjekte |
Nach ähnlichem Prinzip wie das Pazifik Silbertuch funktioniert der Corrosion Intercept®-Film (Engineered Materials, Inc.), der ursprünglich aus dem Bereich der Elektronikverpackungen stammt. Hierbei handelt es sich um eine PE-Folie mit eingebetteten feinsten molekularen Kupferteilchen. Schwefelwasserstoff, Carbonylsulfid, Chlor und Chlorwasserstoff werden von der Folie aufgenommen, sodass Metalle (z.B. Silber und Kupfer), die in Corrosion Intercept Folie verpackt sind, sicher gegenüber diesen Schadgasen geschützt sind. Auch Ozon, alkalische Materialien und saure Gase reagieren laut Hersteller mit der Folie (Hatchfield 2002). Die rotbraunen, schwach duchscheinenden Folien sind als Rollenware, Flachbeutel oder Stretchfolie erhältlich. Die eindringenden Schadgase reagieren mit dem Kupfer und färben es allmählich schwarz. Es lässt sich somit erkennen, wann die Folie ausgetauscht werden muss. |
Schutzhülle für CDs. Aus: www.talasonline.com |
Über die Menge des eingearbeiteten Kupfers gibt es keine Angaben. Nach ähnlichem Prinzip arbeitet der völlig undurchsichtige Static Intercept Film (Engineered Materials, Inc.), bei dem neben Kupfer auch Graphit eingearbeitet ist. Die Oberfläche der Static Intercept Filme ist leicht hygroskopisch, was die Aufnahmefähigkeit für Schadgase noch erhöht (Hatchfield 2002). Die heutigen hochdichten, keramisch beschichteten Transparentfolien (ESCAL) können die Interceptfolien in manchen Anwendungen ersetzen.
Filtermatte aus Polymerschaum |
Ein weiteres Produkt sind die Corrosion Intercept®-Filtermatten, bei denen die Kupferteilchen in Polymerschaum eingebettet sind. Die Matten können zur Schadstoffreduzierung und gleichzeitigen Staubfilterung in Luftfiltern, Vitrinen und Verpackungen eingesetzt werden. Auch hier dient die Farbveränderung von kupferbraun nach lichtgrau als Indikator für die Wirksamkeit. |
Auch wenn die beschriebenen Verfahren zum Teil noch weiter erforscht und optimiert werden können, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt doch einige effektive Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung, mit denen die Bedingungen für die Erhaltung des Kulturguts in Museumsräumen und Vitrinen entscheidend verbessert werden können.
Defizite bestehen noch immer bei der Analytik. Es stehen noch zu wenig Verfahren zur Verfügung, um auf einfache, schnelle und kostengünstige Art Schadgaskonzentrationen zu messen und zu überwachen. Mehrere Forschungsprojekte hierzu sind in den letzten Jahren trotz hohem Finanzaufwand verpufft, ohne dass für Museen nutzbare Ergebnisse das Licht gesehen hätten. Dies ist durchaus auch als Kritik an den geldgebenden Institutionen zu verstehen, die sich nach der Grundlagenforschung nicht um deren praktische Umsetzung kümmern.
Auch fehlt in Deutschland ein zentrales Forschungsinstitut, das auf einfache Weise mit allen Arten von Tests beauftragt werden kann und das konkrete Hilfestellung bei der Auswahl von Materialien gibt.
Thanks to:
Mein herzlicher Dank geht an Frau Maria-Theresia Worch für die Anregung
zu dieser Arbeit sowie an: Bart Ankersmit, Amsterdam; Andrea Fischer,
Stuttgart; Gunnar Heydenreich, Düsseldorf; Lisa Nilsen, Stockholm;
Herr Nolden, Braunschweig; Rainer Richter, München; Jorun Ruppel, Stuttgart; Alexandra Schieweck, Braunschweig; Matthias Stappel,
Neu-Anspach; Ted Steemers, Den Haag; Anngrit Gerber, Dortmund, sowie
die genannten Firmen.