Gebäudeklima in Museen

Unterrichtseinheit an der Universität für Angewandte Kunst, Wien, (Text in Bearbeitung)

5.3 Luftdichtigkeit von Gebäuden

Undichtigkeiten sind offensichtlich spürbar, wenn es in einem Raum "zieht". Daneben entstehen aber hohe Energieverluste, da die eindringende kalte Luft einer entsprechenden Menge warmer Luft, die nach außen entweicht, entspricht. Die entweichende warme Luft führt eine große Menge Feuchtigkeit mit sich, die auf dem Weg nach draußen, z.B. in der Wärmedämmung kondensiert. Diese durchnässt mit der Zeit und bildet einen Nährboden für Mikroorganismen.
Bei heutigem Baustandard sind die Lüftungswärmeverluste fast gleich groß wie die Transmissionsverluste durch Wände, Dach und Boden (Bauer 1995). Ist eine Abluftanlage vorgesehen, so ist eine dichte Gebäudehülle erforderlich: Luft, die durch Lecks strömt, kann nicht zur Wärmerückgewinnung genutzt werden. Erst eine besonders dichte Hülle ermöglicht eine Nettoeinsparung an Energie und Betriebskosten durch die Lüftungsanlage.

Altbauten haben eine Luftwechselrate von typischerweise 0,5 - 1/h, evtl. auch ein Vielfaches davon. Neubauten ab ca. 1960 haben meist geringere Luftwechselraten. Bei Wind nimmt die Luftwechselrate im Gebäude stark zu. Zwischen den dem Wind zugewandten und abgewandten Seiten des Gebäudes bildet sich ein Druckgefälle, das Luft durch die Gebäudeundichtigkeiten drückt. Bei Wind sind die Klimageräte oft überlastet und es kommt zu hohen Feuchteschwankungen im Raum. In Museen ist eine schlechte Gebäudedichtigkeit besonders nachteilig, nicht nur aufgrund des Energieverlustes und Staubeintrags (bis zu 100 µg/m³ in Großstädten): Die aufwändig befeuchtete oder entfeuchtete Luft geht schlicht verloren. Passive Feuchtespeicher wie Holzeinbauten, Lehmputze etc. können sich nur bei niedriger Luftwechselrate positiv auswirken.

Leckagen

Häufig liegen Leckagen im Bereich der Fensteranschlüsse, Elektrodosen, des Putzanschlusses an der Decke, der Folienanschlüsse, Folienüberlappungen und -durchdringungen und Vorwandinstallationen (siehe Sagmeister).

Abb. rechts: "Steckdosen-Tornado", sichtbar gemacht durch ein Rauchröhrchen. Für erste grobe Tests genügt evtl. auch Zigarrenrauch oder eine rußende Kerze.

aus: www.ruediger-loeper.de
 
aus: www.mpva.de

Messung der Gebäudedichtigkeit

aus: www.eboek.de

Die Blower-Door-Messung ist ein normiertes Verfahren zur Prüfung der Dichtigkeit von Gebäuden. Ein Ventilator (Blower) wird luftdicht in die Öffnung einer Eingangs- oder Balkontür eingespannt. Zunächst wird ein Unterdruck im Gebäude erzeugt. Bei bestimmten Druckdifferenzstufen (z.B. 10, 20.... bis 60 Pascal (Pa) wird der durch den Ventilator geförderte Luftvolumenstrom gemessen. Der Luftvolumenstrom entspricht der Luftmenge, die durch die vorhandenen Lecks nach innen strömt. Anschließend wird der gesamte Messverlauf mit Überdruck wiederholt.

Abb. links: Eine definierte Druckdifferenz von z.B. 50 Pa wird über die Ventilatordrehzahl eingestellt. Der geförderte Luftstrom wird gemessen.

Abb. rechts: Blower-Door mit Ventilator

aus: www.eboek.de

50 Pascal entsprechen in etwa dem Staudruck auf der Luvseite eines Gebäudes bei Windgeschwindigkeiten von 8 - 10 m/s. Die Messung darf daher nicht bei starkem Wind durchgeführt werden (100 000 Pa entsprechen dem normalen Luftdruck, also ca. 1000 cm Wassersäule, bei 50 Pascal Druckdifferenz entsprechen somit 5 mm Wassersäule).

Das Maß der Undichtigkeit (n50-Wert) gibt an, ein Wievielfaches des Innenvolumens stündlich bei 50 Pascal Druckdifferenz durch bauliche Undichtigkeiten nachströmt. Eine Blower-Door-Messung dauert wenige Stunden und ist mit Mängelanalyse schon ab ca. € 500 erhältlich. Größere Gebäude werden ggf. in Teilabschnitten untersucht.

Lecks an Fugen, Anschlüssen oder Durchdringungen werden bei Unterdruck mit dem feuchten Finger oder dem Augenlid, mittels Rauchröhrchen oder Rauchgasverneblern, durch Thermo-Anemometer (Temperatur- und Luftgeschwindigkeitsmesser) oder durch Thermographieaufnahmen geortet. Von zentraler Bedeutung ist die rechtzeitige Messung im Bauablauf (www.nei-dt.de). Solange Nachbesserungen möglich sind, zeigt die Messung nicht nur verbliebene Mängel auf, sondern ermöglicht eine optimierte Bauqualität (www.eboek.de)

Bei Neubauten ohne Lüftungsanlage darf es nach DIN nicht mehr als das Dreifache des Innenvolumens pro Stunde sein, bei Gebäuden mit Lüftungsanlagen maximal das Einfache des Innenvolumens pro Stunde.

Mit dem Blower-Door-Verfahren kann nicht direkt der "natürliche" Luftwechsel des Gebäudes im Normalzustand (also ohne künstlich herbeigeführte Druckdifferenz) bestimmt werden. Ein n50-Wert von 1,0 /h entspricht näherungsweise einem mittleren Luftwechsel von 0,1/h (Bauer 1995).

Messung mit Indikatorgas

Luftwechselmessungen bei unverändertem Druck lassen sich mit Indikatorengasen wie SF6, Halon R 1301, CO oder N2O durchführen, also mit Gasen, die auch in sehr kleiner Konzentration noch gut nachweisbar sind. Das Gas wird mit einer Spritze innerhalb der Räume gleichmäßig verteilt. In 30-Minuten Abständen werden jeweils Luftproben entnommen und in einem Labor die Konzentrationen ausgewertet. Entsprechend der Verdünnung lässt sich der jeweilige Luftwechsel bestimmen. Messungen mit ungiftigen Indikatorengasen lassen sich auch während der normalen Nutzung des Gebäudes anstellen (Focus).


SF6 Analysator, aus: Nilu
Der Luftwechsel unter natürlichen Randbedingungen (Fugen, Leckagen, Meteorologie, Topographie) wird mit der Tracergas-Methode bestimmt.
Eine bestimmte Menge Indikatorgas wird in einen Raum eingebracht und mit der Raumluft intensiv vermischt, so dass eine homogene Durchmischung gewährleistet ist. Die Konzentration wird mit einem IR-Gasanalysator gemessen. Durch von außen oder aus anderen Gebäudebereichen in den Messraum eindringende Luft und Abtransport des Luft-Tracergas-Gemisches erfolgt ein Konzentrationsabfall, der in Form von Konzentrations-Zeit-Messwertpaaren (c,t) aufgezeichnet wird. Aus dem Konzentration-Zeit-Verlauf lässt sich der Luftwechsel [h-1] im Raum berechnen. Als Tracergas kommen N2O oder SF6 zum Einsatz.

Tracer gas Analysator

Der Hauptnachteil der Tracergas-Methode liegt darin, dass aus der Einzelmessung keine allgemein gültige Aussage über den Luftwechsel in einem Gebäude oder Gebäudeteil gemacht werden kann, da das Ergebnis zu stark von den sich verändernden und nicht vorausberechenbaren Randbedingungen abhängt, wie u.a. Windrichtung und -geschwindigkeit, Innenraum- und Umgebungstemperatur.

 

Thermographie


Die Thermographie-Kamera scannt per Infrarot ganze Gebäudeoberflächen oder Anlagen durch und zeichnet daraus eine farbiges Abbild der Emissionsverteilung auf der untersuchten Oberfläche. Die Farbverteilung lässt sich auf ein enges oder weites Temperaturintervall einstellen. Die Messgenauigkeit kann bis zu 0,025°C betragen (Jenoptik).

Abb. rechts: Ein beliebtes Gerät ist die Testo 880 mit einer Genauigkeit von 0,1°C


Testo 880
Alle drei Thermographiebilder aus: www.energiesystemtechnik.de


Gebäude-Thermographie
durchfeuchtete Wand unterhalb eines Fensterbretts
Lenbach-Haus, München
 
Die Interpretation der Thermographien erfordert etwas Erfahrung, da ein Farbwechsel auf dem Bild sowohl ein Materialwechsel auf der Oberfläche bedeuten kann als auch ein Temperaturwechsel, wie auf der Abbildung rechts zu erkennen: Die blauen Wandbereiche im Lenbachhaus zeigen eine kalte Gebäudeecke an, die hellen Streifen im linken Gemälderahmen auf einen Materialwechsel.
Ein gratis Online-Kurs zur Thermographie findet sich auf www.ea-nrw.de

Voraussetzung für Außen- und Innenthermographien sind ausreichend große und lang anhaltende Differenzen zwischen Außen- und Innentemperatur. Bei massiven Gebäuden sollte der Messung eine längere Phase gleichmäßiger Beheizung vorangehen. Die Messungen sollten an sonnenbeschienenen Fassaden vor Sonnenaufgang erfolgen, um Störeinflüsse zu minimieren. Vor der Beauftragung einer Fachfirma für Thermographie (z.B. Fa. Schlag) ist es in der Regel sinnvoll, zu erörtern, ob die zu klärenden Fragen an einem Bauwerk nicht leichter und evtl. zuverlässiger mit anderen Untersuchungsmethoden geklärt werden können (z.B. www.nei-dt.de).

Fensterlüftung

Neben dem als "Fugenlüftung" bezeichneten natürlichen Luftaustausch durch Gebäudeundichtigkeiten kommt der Fensterlüftung eine große Bedeutung zu. Auch häufig geöffnete Türen erhöhen den Luftwechsel. Fensterlüftung ist im Museum grundsätzlich problematisch (Eindringen von klimatisch unbehandelter Außenluft, Staubeintrag) und stellt einen häufigen Streitpunkt zwischen Restauratoren und Aufsichtspersonal dar. Die noch immer verbreitete Dauerlüftung, Fenster mehr oder weniger im Dauerzustand geöffnet zu halten, stellt die ungünstigste Variante der Fensterlüftung dar. Große Mengen Warmluft werden sprichwörtlich zum Fenster hinausgeworfen.
Die mit Fenster-Öffnungsarten üblicherweise erreichbaren Luftmengen werden nachstehend aufgeführt (aus: www.fensterberater.de)

  Luftmenge Ausgegangen wurde von
einem Fensterflügel
von 1 x 1,2 m
in einer ca. 80m²
großen Wohnung
Kippfenster, Öffnungsspalt ca. 2 cm bis 50 m³/h
Kippfenster, Öffnungsspalt ca. 6 cm bis 130 m³/h
Kippfenster, Öffnungsspalt ca. 12 cm bis 220 m³/h
Drehfenster, Öffnungsspalt ca. 6 cm bis 180 m³/h
Kippfenster, 90° weit geöffnet bis 800 m³/h
gegenüberstehende Fenster, 90° weit geöffnet bis 8000 m³/h

Die großen Mengen Wasserdampf, die z.B. an einem regenreichen Tag oder einem warmen Sommertag durch die dauergeöffneten Fenster eindringen bzw. im Winter entweichen , können sehr rasch die feuchtigkeitspuffernde Wirkung der Wandflächen erschöpfen, sodass  länger anhaltende, starke Klimaschwankungen möglich sind. Räume mit geöffneten Fenstern unterliegen sehr stark den Klimaschwankungen der Außenluft und mildern diese nur wenig ab.

Etwas günstiger stellt sich die Stoßlüftung dar. Dabei wird die Raumluft kurzzeitig ausgetauscht. Die Wandoberflächentemperatur bleibt hierdurch weitgehend gleich und die in den massiven Wänden gespeicherte Wärme kann die eingedrungene Kaltluft relativ schnell wieder erwärmen. Problematisch bleibt auch diese Art der Lüftung für Kunstwerke wie unverglaste Gemälde, die sich durch kurzzeitig eindringende Kaltluft rasch abkühlen.

Wann darf im Museum gelüftet werden?

Sieht man vom Staub- und Schadstoffeintrag ab, so kann bedenkenlos gelüftet werden, sofern Temperatur und Luftfeuchtigkeit von Raumluft und Außenluft gleich sind. Da dieser Fall höchst selten eintritt, galten die Überlegungen, unter welchen Bedingungen ein kurzzeitiges Öffnen der Fenster zumindest tolerierbar ist. Geht man davon aus, dass durch das kurze Lüften die Raumtemperatur nur kurzzeitig verändert wird und dies akzeptabel ist (vgl. Stoßlüftung, s.o.), so ist ein Lüften zulässig, sofern die absolute Luftfeuchtigkeit in g Wasser/kg Luft innen und außen annähernd gleich sind. Die relative Luftfeuchtigkeit im Raum ändert sich dann nur sehr kurzzeitig und stellt sich wieder auf den vorherigen Wert ein, sobald die Raumluft wieder durch die Wandflächen auf die ursprüngliche Temperatur gebracht wurde. Welche Toleranz zwischen der absoluten Luftfeuchtigkeit innen und außen zugelassen wird, ist Ermessenssache, in Abhängigkeit von der Empfindlichkeit der Kunstwerke und ob die Kunstwerke durch Vitrinen oder Verglasungen vor kurzzeitigen Feuchteschwankungen geschützt sind.

Ist für einen Museumsraum ein bestimmter Toleranzbereich festgelegt, z.B. dass das Klima zwischen 50% und 60% rF bleiben soll, so kann die Frage, ob die Fenster geöffnet werden dürfen oder nicht, auch davon abhängig gemacht werden, ob ein Lüften sich günstig oder ungünstig auf das Raumklima auswirkt. Günstig wäre dann zu nennen, wenn das Lüften die relative Luftfeuchtigkeit des Raums zum Mittelwert des Toleranzbereichs hin, in unserem Fall also in Richtung 55% hin verschiebt.

Das Bestimmen der absoluten Luftfeuchtigkeit mithilfe des Mollier-Diagramms ist natürlich für die Praxis zu mühsam, und nur wenige Messgeräte zeigen auch die absolute Luftfeuchtigkeit an. Viele preisgünstige elektronische Messgeräte (z.B. Testo 605-H1 oder 615) geben auch die Taupunkttemperatur an, welche die gleichen Informationen liefert: Gleiche Taupunkttemperatur bedeutet gleiche absolute Luftfeuchtigkeit, sodass sich auch die Taupunkttemperatur von Innen- und Außenluft vergleichen lässt.

Zur festen Installation eignen sich Geräte mit Innen- und Außenfühler wie der Klimaregler KLR01 von Krah und Grote. Mit diesem Gerät lassen sich auch gleichzeitig Fenster, Lüfter und Heizungen steuern. Das Klima wird so auf energieeffziente Art stabilisiert.

 


Long Life for Art | Christoph Waller | Hauptstr. 47 | D-79356 Eichstetten | Tel. +49(0) 7663 608 99-0 | Fax -20
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