Sauerstoffarme Lagerung von Kunstwerken aus Metall und organischen Substanzen, giftfreie Schädlingsbekämpfung durch Sauerstoffentzug

Unterrichtseinheit an der Universität für Angewandte Kunst, Wien (Stand: Jan. 2004)

6.1 Einführung: Wofür eignet sich sauerstoffarme Lagerung und wofür nicht

Sauerstoffarme Lagerung bietet sich für eine Reihe von Materialien als eine besonders interessante Möglichkeit der Langzeitkonservierung an, z.B. für Metalle. Selbst stark salzhaltige archäologische Metallfunde lassen sich auf diese Weise konservieren. Sauerstoff ist zudem die Haupt-Zerstörungsursache vieler Polymermaterialien. Auch wenn viele Abbaumechanismen nicht von Sauerstoff ausgehen, ist doch Oxydation das letztendliche Resultat (Grattan 1978, cit. in Blank 1990). Wenn Sauerstoff aus der Atmosphäre entfernt werden könnte, ließe sich der Zerfall vieler Kunststoffen stark verzögern (Blank 1990, Grattan 1991).

Ein gutes Beispiel hierfür ist Gummi, der sehr oxidationsempfindlich ist und bei Raumtemperatur langsam kristallisiert. Kühle Lagerung würde zwar die Oxydation verlangsamen, dafür aber das Auskristallisieren erheblich beschleunigen (Baker 1995). Hier bietet sich die sauerstoffarme Lagerung als Ausweg an (Shashoua 1993 und 1999).

Chemische und photochemische Zersetzung lässt sich in sauerstoffarmer Atmosphäre zwar nicht ganz unterbinden aber doch verlangsamen (Jeon 1990), denn wie wir wissen, findet Photooxidation im Vakuum nicht statt (Landi 1992). Manche Autoren (Thomson 1994) sind der Ansicht, dass sich die Photooxydation nur in extrem sauerstoffarmer Atmosphäre spürbar verlangsamt, also erst bei Konzentrationen, die mit Sauerstoffabsorbern nicht erreicht werden können.

Ein Faktor, der sich in vielen Fällen nicht ganz ausschließen lassen wird, ist Wasser, das (vor allem in Gegenwart von Säuren etc.) Moleküle hydrolytisch spalten kann. Hydrolyse ist der hauptsächlichste Zerfallsmechanismus z.B. bei zellulosehaltigen Materialien wie Papier.

Auch mikrobielle Zersetzung lässt sich durch sauerstoffarme Lagerung nicht völlig ausschließen: Der verbleibende Stickstoff bietet anaeroben Mikroorganismen wie z.B. Stickstoffbakterien u.U. geeignete Lebensbedingungen. Ab welcher relativen Luftfeuchtigkeit Stickstoffbakterien überleben können, entzieht sich meiner derzeitigen Kenntnis. Hierin liegt der Grund, weshalb z.B. die "Declaration of Independence" in den USA in Edelgas aufbewahrt wird.

Ein sehr interessantes Anwendungsgebiet sauerstoffarmer Atmosphären ist die Schädlingsbekämpfung. Es wurde gezeigt, dass bei einer Konzentration von 0,3% Sauerstoff 10 Tage bei 25,5°C ausreichen, um alle Insektenstadien abzutöten (Maekawa 1996, ATCO). Bei einer um 5°C niedrigeren Temperatur ist eine mindestens doppelt so lange Behandlungszeit erforderlich*. Da auch für das Herausdiffundieren des Sauerstoffs aus dicken Hölzern bis zu vier Tage hinzu gerechnet werden müssen, ist bei üblichen Raumtemperaturen bei < 0,3% Sauerstoff von einer Behandlungszeit von 4 - 8  Wochen auszugehen*.

Holzwurmbehandlung einer Pietà aus St. Märgen mit Ageless. Gerade für kleinere bis mittelgroße Objekte bietet sich diese Methode an: Das Kunstwerk kann vor Ort verbleiben (keine Transportkosten), die Behandlung ist extrem schonend, giftfrei, und die Kosten sind gering: Die Folienumhüllung aus ESCAL wurde mit 25 Säckchen Ageless 2000 auf unter 0,1% Sauerstoffgehalt gebracht. Die linke Farbtablette "Ageless eye" (rechtes Bild) zeigt durch ihre rosa Farbe, dass im Inneren der Folie ein Sauerstoffgehalt von unter 0,1% erreicht wurde (die beiden rechten Farbtabletten befinden sich außerhalb). Zur Kontrolle der relativen Luftfeuchtigkeit war eine Kassette ART SORB eingelegt. Behandlungszeit: Okt. 99 -Jan. 2000, bei 20°C - es hätten möglicherweise bereits 4 - 8 Wochen ausgereicht.

* Die Frage, wie lange bei welcher Temperatur und bei welcher Sauerstoffkonzentration begast werden muss, wird in der Literatur sehr unterschiedlich bewertet und in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt. Manche Firmen geben an, bei 0,3% Restsauerstoff oder gar noch höheren Werten seit Jahren erfolgreich zu begasen, andere halten 0,1% Restsauerstoff für notwendig. Literaturangaben beziehen sich meist auf 25°C (vgl. Keepsafe).
Aktuelle Werte finden sich bei Maekawa 2003, p. 10 und Child 2008: Demnach sind bei 20°C und 55% rF je nach Spezies 7 - 22 Tage bei <0,3% O2  erforderlich. Eine höhere Luftfeuchtigkeit verlängert den Prozess. Wie publizierte Werte auf niedrigere Temperaturen zu extrapolieren sind, ist noch zu wenig wissenschaftlich untersucht (Child 2008). Die Formel: "bei 5°C niedrigerer Temperatur Verdopplung der Behandlungszeit" kursiert nur mündlich in Fachkreisen und dürfte nicht mehr als eine Daumenregel sein. Aus meinen Erfahrungen am Augustinermuseum Freiburg kann ich berichten, dass in einem Fall 4 Wochen bei 15°C und <0,3% O2 nicht ausreichend waren. Dagegen waren bisher alle Begasungen bei <0,1% O2 und einer Behandlungszeit von 4 Wochen bei 25 °C bzw. 4 Wochen bei 20°C oder 8 Wochen bei 15°C erfolgreich. Da mit Hilfe von Sauerstoffabsorbern Werte von 0,1% O2 leicht hergestellt und gehalten werden können und in Museen Zeit meist keine Rolle spielt, möchte ich empfehlen, zur Sicherheit nach diesem Modus zu verfahren, bis verlässlichere Richtwerte publiziert werden (für Hinweise bin ich dankbar).


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