4 Reduzierung von Luftschadstoffen in Museen und Archiven

Web-Version einer Unterrichtseinheit an der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Aktualisiert 2010 von Dorothee Fobes

4.3 Staubvermeidung und Luftfiltersysteme

Jedes Lüften oder Einblasen von Luft im Museum hat einen erwünschten und einen unerwünschten Effekt auf die Schadstoffbelastung. Der erwünschte besteht darin, dass im Museum selbst entstandene Schadstoffe verdünnt werden. Dazu gehören z.B. die vielen Ausdünstungen der Besucher, die eine ganze Reihe schädlicher Chemikalien enthalten (Muller 1995), außerdem Schadstoffe aus den Baumaterialien oder den Sammlungsgütern selbst.
Der unerwünschte Effekt von Zuluft besteht darin, dass die Konzentrationen gewisser Schadstoffe, die vorrangig in der Außenluft vorliegen (SO2, NO2, O3), durch die eingeblasene Luft stark zunehmen (siehe Kapitel 4.1). Ein anderer Punkt ist die Staubbelastung im Museum, die durch eingeblasene Luft naturgemäß stark ansteigt. Auch Besucher und Personal sind für Staubansammlungen in Innenräumen verantwortlich. Im Folgenden werden einige Vermeidungsstrategien für den Eintrag und die Ansammlung von Staub aufgezeigt, um anschließend die möglichen Komponenten einer Luftfilteranlage und deren Planung zu erläutern.

 

nach oben4.3.1 Vermeidung von Staub

Zur Vorbeugung von Staubansammlungen, verursacht durch Besucher oder Personal, in Ausstellungs- und Depoträumen sind Staubfangmatten an den Eingängen nützlich, auch gibt es eine große Auswahl an staubarmen Bodenbelägen. Staubarme Bodenpflege wird durch Staubsauger mit Feinstfiltern (High Efficiency Particulate Airfilter (HEPA Filter)), oder durch feuchtes Wischen gewährleistet, rotierende Blocker erzeugen dagegen viel Staub. Die Abluft herkömmlicher Bodenstaubsauger verwirbelt die Luft und verteilt damit auch den Staub. Idealerweise wird die Abluft ins Freie geführt, wie dies z.B. bei fest eingebauten Staubsauganlagen mit Anschlußstutzen der Fall ist. Grundsätzlich ist ein Abdichten der Gebäudehülle sinnvoll, da so die Luftwechselrate erniedrigt und das Eindringen von Staub durch Undichtigkeiten verhindert wird (Nazaroff 1993).
Besonders groß ist die Staubgefahr bei Bauarbeiten im Gebäude. Staubabdichtungen von Handwerkern erweisen sich oft als ungenügend. Die Staubdichtigkeit ist im Vertrag mit der Baufirma genau festzulegen, z.B. dass die Abtrennungen vor Beginn der Staubentwicklung mit einem Rauchgasvernebler (Kapitel 3) auf Staubdichtikeit zu prüfen sind (Watts 2002). Für die Überwachung von Staubablagerungen eignet sich die bei Knight 2001 beschriebene Objektträger-Methode (Kapitel 4.2).

Auch Typ und Auslegung des Heizungs- und Lüftungssystems spielen eine große Rolle für die Staubbelastung. Mischlüftung verwirbelt die Luft stark, während Verdrängungslüftung und Quelllüftung zu geringeren Staubaufwirbelungen führt (Hilbert 2002). Heizsysteme, welche durch hohe Oberflächentemperaturen (Heizkörper) oder durch Einblasen von Warmluft starke Konvektionsströme erzeugen, führen zu starken Staubablagerungen, insbesondere an kalten Flächen wie Außenwänden. Günstiger wirken sich Heizsysteme aus, bei denen vorrangig die Wärmeverlustzonen (Außenwände, Boden) beheizt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Raumtemperierung durch Wandsockel und Wandheizung, wie sie seit Jahren von der Landesstelle der nichtstaatlichen Museen Bayerns propagiert und erfolgreich eingesetzt wird (Großeschmidt 1996 und 1998).

Lampen mit hohen Oberflächentemperaturen wie z.B. Glüh- und Halogenlampen führen durch Verschmoren der Staubpartikel zu schwer entfernbaren Oberflächenschwärzungen. Die von dieser Lampengruppe emittierte hohe Wärmestrahlung heizt zudem die bestrahlten Exponatoberflächen auf und führt so zu Konvektionsströmen entlang der Exponatoberfläche nach oben (Hilbert 2002, siehe auch Kapitel 1: Lichtschäden).

Weitere nützliche Tipps und Literatur zur Staubvermeidung und Staubmessung siehe National Trust.

 

nach oben4.3.2 Luftfiltersysteme

Wer eine Klimaanlage im Museum betreiben möchte oder muss, wird nicht ohne eine leistungsfähige Luftfilteranlage zur Filterung von Partikeln und Schadgasen auskommen. Die Partikelgrößenverteilung von Schadstoffen in normal verschmutzter Stadtluft reicht von etwa 0,001-1000 µm. Die verschiedenen Filter sind je nach Rückhaltevermögen in Filterklassen eingeteilt (vgl. Abb. unten). Filter der Klasse G bezeichnen Grobstaub-, solche der Klasse F Feinstaubfilter, Filter der Klasse H dienen als Schwebstaubfilter. Das Ziel einer Luftfilteranlage besteht in der Verbesserung der Luftqualität im Innenraum gegenüber der Außenluft. Hilbert 2002 hält eine Verbesserung um den Faktor 10 für realistisch. Weitergehende Bemühungen seien zu aufwändig und bei Betrachtung der zusätzlichen Schadstoffquellen im Innenraum nicht sinnvoll.

Bei der Wahl der Filterklassen muss bedacht werden, dass eine hohe Filterqualität in der Regel mit einem erhöhten Kostenaufwand für Energie und Austauschmaterial einhergeht. Denn je engmaschiger ein Filter aufgebaut ist, desto schneller wird er sich mit Partikeln zusetzen und je stärker muss der Luftstrom sein, um die Luft hindurch zu führen. Eine sinnvolle Aufreihung an Filtern kann jedoch zur Reduzierung dieser Kosten beitragen. So kann dem Feinstaubfilter ein Grobstaubfilter vorgesetzt werden, um ein vorzeitiges Zusetzen des Feinstaubfilters mit groben Partikeln zu verhindern. Grundsätzlich werden sowohl die Außenluft als auch die Zuluft gefiltert, die über die Ausstellungsräume zurück in die Klimaanlage gelangt (Hilbert 2002, siehe auch Mürmann 1996).

Einteilung der Filterklassen. Aus: www.wesco.ch

 

nach oben4.3.2.1 Komponenten einer Luftfilteranlage

1) Vor- oder Grobstaubfilter der Filterklasse G4 verhindern den Eintritt gröberer Stäube und dienen zum Schutz der nachfolgenden Filter (Abb. rechts und unten). Aus Gründen einer höheren Effizienz werden heute meist so genannte Taschenfilter verwendet. Durch eine Staffelung der Filterfläche wird dabei das Verhältnis zwischen Fläche und Anströmgeschwindigkeit der Luft optimiert, wodurch längere Nutzzeiten des Filters möglich sind. Diese beschränkt sich dennoch auf maximal 1 Jahr, Nachfilter sollten nicht länger als 2 Jahre betrieben werden (Hilbert 2002).

2) Eventuell ist auch der Einbau eines elektrostatischen Filters zur Abscheidung kleinerer Staubteilchen sinnvoll. Hierbei werden die Partikel durch Ionisierung aufgeladen, in einem elektrischen Feld herausgezogen und auf Kollektorplatten niedergeschlagen. Die Elektroden werden in regelmäßigen Abständen mit warmem Wasser abgespült. Bei Stromausfällen wird der bis dahin gesammelte Staub wieder freigesetzt, was ein großer Nachteil dieses Verfahrens ist. Der Filter sollte daher an eine Notstromversorgung angeschlossen sein. Elektrostatische Filter erzeugen etwas Ozon, das jedoch durch entsprechende nachfolgende Filterstufen vollständig ausgefiltert werden kann. Auch wird befürchtet, dass geringe Mengen ionisierter Stäube ungefiltert bleiben und sich an unerwünschter Stelle niederschlagen (Hilbert 2002).

3) Auch der Einsatz eines chemischen Filters zur Ausfilterung von Luftschadstoffen ist möglich. Dabei wird die Luft durch ein Granulat geleitet. Es handelt sich um Tonkügelchen (z.B. Purafil), die mit violettem Kaliumpermanganat getränkt sind (Kapitel 4.5.1). Die Effektivität gegenüber den einzelnen Stoffen ist unterschiedlich (Deltaplan 1993 oder Vosteen 1994). Eine neue Form des chemischen Filters ist der so genannte GridBlok (s.u.).


Grobstaub-Taschenfilter. Aus: www.unifilag.ch

   

4) Im Fall erhöhter Schadstoffbelastungen wird ein Aktivkohlefilter benötigt, um längerkettige organische Moleküle auszufiltern (Kapitel 4.5.1). Aktivkohlefilter sind meist Kasten- oder Zickzackfilter, die den Luftstrom möglichst wenig bremsen sollen (Abb. rechts). Auch die Körnung der Kohle spielt hierfür eine Rolle. Meist werden Zylinderpresslinge mit 3 - 4 mm Durchmesser verwendet. Erhältlich sind auch Aktivkohle/Purafil-Kombinationsfilter, die einen vereinfachten Filteraufbau zulassen. Hilbert 2002 empfiehlt die Vorschaltung eines Filters zur Abscheidung feiner Stäube, um ein vorzeitiges Zusetzen des feinen Porensystems der Aktivkohle zu verhindern.

5) Den Abschluss bildet in jedem Fall ein Feinstaubfilter, der nicht zuletzt die Stäube beseitigen soll, welche aus den Filtergranulaten selbst herausgeweht werden (bei starker Beanspruchung, also hohem Luftstrom oder Vibration werden bisweilen Partikel des Filtermaterials freigesetzt). Meist wird ein Feinstaubfilter der Filterklasse F8/F9 verwendet. Feinstaubfilter der Klasse F9 werden auch als Vorfilter von Schwebstoff- oder Aktivkohlefiltern eingesetzt.

6) Die noch feineren Schwebstofffilter der Filterklassen H10 bis U17, die für Operationssäle, Kernanlagen oder Reinräume hergestellt werden, sind sehr engmaschig und würden den Luftstrom entsprechend bremsen und daher Energie kosten. In Museen, wo viele Stäube durch geöffnete Türen, Besucher etc. eingetragen werden, ist eine solch extreme Staubfilterung nicht sinnvoll (Thomson 1994, Tétreault 2003 (2)). Bei Archiven oder Depots mag man dagegen etwas anspruchsvoller sein, hier wurden in Fallstudien sehr gute Ergebnisse erzielt (vgl. Ryhl-Svendsen 2009).


Aktivkohlefilter. Aus: www.filtertechnik.wesco.ch

Schematische Darstellung einer typischen Klimaanlage mit Luftfilterung. Aus: Tétreault 2003 (2)

 

nach oben4.3.2.2 Weitere Filtertypen

EPIX-Filter

Ein weiterer Filtertyp sind EPIX-Filter (Environmental Protection Ion Exchange Filter, Ebara), eine Art Ionenaustauscher für Luft. Diese Filter stammen aus der Reinraumtechnik und sind geeignet, Schadstoffe bis in die Größenordnung von 0,5 bis 5 ppb auszufiltern, also im Bereich der absoluten Nachweisgrenze. EPIX-Fiter bestehen aus Polyolefinmaterial, einer Art PE-Vlies. Mittels Elektronenstrahlen werden darauf freie Valenzen erzeugt, an die sich reaktive Gruppen anhängen lassen. An diesen reaktiven Gruppen können sich ionisierbare Schadstoffe wie H2S, SO2, HCl, NaOH, Amine, Metallionen etc. anlagern. Auch Essigsäure lässt sich filtern, nicht aber Formaldehyd und Ozon. Zur Filterung starker Säuren dient als reaktive Gruppe SO3H, für starke Basen N(CH3)3OH, für schwache Basen N(CH3)2. Das Produkt wird in 65 cm breiten Gewebebahnen hergestellt. Nach 3 Jahren verliert es seine Aktivität, auch wenn es in dieser Zeit nicht mit Schadstoffen in Berührung kommt. Es ist daher höchstens 3 Jahre einsetzbar bzw. lagerfähig. EPIX-Filter werden im Grünen Gewölbe in Dresden eingesetzt.

Corrosion Intercept® Filtermatten

Corrosion Intercept® Filtermatten bestehen aus Polymerschaum mit eingearbeiteten Kupferteilchen (Kapitel 4.5.3). Die Kupferteilchen adsorbieren korrosive Gase, sodass empfindliche kupfer- oder silberhaltige Objekte hiervor geschützt werden. Die Matten eignen sich zur Schadstoffreduzierung und gleichzeitigen Staubfilterung in Luftfiltern, Vitrinen und Verpackungen. Eine Farbveränderung der Filtermatten von kupferbraun nach lichtgrau dient als Indikator für die Wirksamkeit. Die Filter eignen sich naturgemäß besonders für Vitrinen mit Silber- oder Kupfergegenständen. Die Firma Glasbau Hahn setzt sie in Kombination mit ihren Konstantfeuchtegeräten ein.

GridBlok

Eine neue Entwicklung der Firma Purafil ist das so genannte GridBlok-System. Es handelt sich um eine Filtereinheit in Form eines monolithischen Blocks mit einer großen Anzahl kleinster parallel verlaufender Zellen. Der Filter besteht zu 100% aus adsorbierendem Material, das durch Extrusion der verschiedenen Filtergranulate der Firma Purafil hergestellt wird (Kapitel 4.5.1). Derzeit sind vier verschiedene Typen zur Ausfilterung unterschiedlicher Gase erhältlich (Purakol, Puracarb, Puracarb AM und Chlorosorb). Strukturbedingt besitzt die Filtereinheit einen geringen Differenzdruck, was sich positiv auf die Energiebilanz auswirkt. Das GridBlok-System ist insbesondere für geringe bis mittlere Kontaminationen geeignet, die Filter können in bereits bestehende Anlagen eingebaut werden. Unter anderem wurde das System bereits im Dutch National Archive in Den Haag eingesetzt.



GridBlok-Filtereinheit. Aus: www.purafil.com


nach oben4.3.3 Planung von Filteranlagen

Firmen wie Purafil oder Camfil bieten einen Rundum-Service von der Schadstoffmessung vor Ort, über die Planung der Anlage bis hin zur Wartung. Kontrollanalysen der Filtermedien sagen aus, ob und wie lange die Filtermedien noch einsatzfähig sind. Zunächst wird die vorhandene Schadstoffbelastung gemessen (Kapitel 4.2.4) und der angestrebte Reinheitsgrad festgelegt. Anhand der Daten und Vorgaben plant der Filterhersteller die Anlage.

Die Firma Purafil bietet eine spezielle Software (dSAFE mediapik) an, mit der sich die optimalen Filtermedien für einen speziellen Lüfterschrank zusammenstellen lassen. Eine solche freistehende Anlage für den Umluftbetrieb wurde 1998 im Düsseldorfer Kunstmuseum in Betrieb genommen. Nach einer gewissen Betriebszeit wird eine Granulatprobe zum Hersteller eingeschickt. Anhand einer Analyse wird berechnet, wie lange das Filtermedium noch einsatzfähig ist und wann es ausgetauscht werden muss.
Zur Überwachung der Schadstoffbelastungen stehen elektronische Sensoren (OnGuard, Kapitel 4.2) zur Verfügung, die bereits in vielen Museen im Einsatz sind.

Im großen Maßstab lassen sich Schadstoffe durchaus kontrolliert beseitigen. Je höher die Schadstoffbelastung, desto eindrucksvoller zeigt sich der Effekt der Schadstofffilter. Bei sehr geringen Konzentrationen (z.B. H2S) sieht die Bilanz der Filter oft schlechter aus (Cassar 1999). Zum einen können die Filter in diesem Fall nur geringe Mengen aufnehmen, bis sich wieder ein Gleichgewicht einstellt, zum anderen wird der positive Effekt der Schadstofffilterung u. U. durch den erhöhten Luftzustrom wieder teilweise zunichte gemacht.

Siehe hierzu auch Vosteen 1994.

Nächstes Kapitel: 4.4 Schadstoffverminderung in Ausstellung und Depot

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