4 Reduzierung von Luftschadstoffen in Museen und Archiven

Web-Version einer Unterrichtseinheit an der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Aktualisiert 2010 von Dorothee Fobes

4.5 Passive Sorbentien zur Schadstofffilterung

 

4.5.1 Aktivkohlen und Purafil

Aktivkohlen und Purafil (imprägniertes Tongranulat) eignen sich sowohl zur Luftfilterung in raumlufttechnischen Anlagen (Kapitel 4.3) als auch zur unmittelbaren Adsorption von Schadgasen, die in Innenräumen oder in geschlossenen Systemen (z.B. Vitrinen) emittiert werden.

 

nach oben4.5.1.1 Aktivkohlen

Aktivkohlefilter werden häufig zur Schadstoffadsorption in Museen und Archiven eingesetzt. Die porösen Kohlenstoffe werden synthetisch hergestellt und besitzen eine schwammartige Struktur (Schieweck 2006). Die Poren verengen sich zunehmend von Makroporen zu Mikroporen. Aktivkohlen sind daher in der Lage, Moleküle aller Größen physikalisch zu adsorbieren. Moleküle, die in den Mikroporen gefangen sind, werden u.U. nicht mehr desorbiert, da sie gleich wieder von der gegenüber liegenden Porenwand adsorbiert werden und umgekehrt. Aktivkohlen können durchaus sehr große Mengen an Schadstoffen aufnehmen. Die absolute Menge des Adsorbers in Kilogramm ist für den Erfolg jedoch zunächst von untergeordneter Bedeutung.

Leider lässt sich schlecht vorhersagen, nach welchem Zeitraum Aktivkohlen erneuert werden müssen. Sofern bekannt ist, wie dicht eine Vitrine ist und wie viele Schadstoffe freigesetzt werden, lässt sich das Wartungsintervall in etwa berechnen (Thickett 2010). Plättchen aus frisch gereinigtem Reinblei sind ein einfacher Indikator für organische Säuren: weiße Korrosionsprodukte zeigen an, dass die Aktivkohle ihren Zweck nicht mehr erfüllt (Thickett 2012).

Aktivkohlefilz als Hintergrundbespannung in einer Gemäldevitrine mit Cranach-Dyptichon, Melanchton-Haus, Bretten

Aktivkohle lässt sich aus den verschiedensten Stoffen wie Steinkohle, Holz, Torf, Koks oder Kokosnussschalen herstellen. Sie entsteht durch vorsichtige Oxidation der Ausgangskohlen mit Kohlendioxid, Wasser oder Sauerstoff bei hoher Temperatur. Erst hierdurch entstehen die feinen Poren und die enorm große innere Oberfläche von 500 bis 3000 m²/g je nach Typ (Abb. rechts). Die Größe der Poren ist unterschiedlich und entscheidet, welche Molekülgrößen am besten angelagert werden. So werden z.B. niedrig siedende Stoffe eher an feinporiger Aktivkohle angelagert (Brauer 1996). Feine Poren umschließen ein adsorbiertes Molekül u.U. von mehreren Seiten und entwickeln daher größere Bindungskräfte als größere Poren. Sie sind demnach gut zur Ausfilterung geringer Konzentrationen geeignet. Eine Aktivkohle, die eine kleine innere Oberfläche und feine Poren beitzt, kann daher bei geringen Schadstoffkonzentrationen (etwa <1000 ppm) effektiver sein als eine stärker aktivierte Kohle mit großer innerer Oberfläche und großen Poren (Hayes 1994). Erst bei hohen Konzentrationen, wie sie in Museen kaum vorkommen dürften, sind großporige Aktivkohlen von Vorteil.

Aktivkohle im Elektronenmikroskop, Ausschnitt ca. 30µm. Aus: Kienle 1980

Aktivkohle kann, ähnlich wie ein Feuchtigkeitspuffer, auch Wasser aufnehmen. Aus diesem Grund lässt die Wirksamkeit bei hoher relativer Luftfeuchtigkeit (ab 60% rF) spürbar nach (Abb. rechts). Zudem können bereits adsorbierte Stoffe durch eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit aus der Aktivkohle wieder freigesetzt werden. Auch eine Temperaturerhöhung kann zur erneuten Freisetzung von Schadstoffen führen (Röhr 1998).

Aktivkohlen sollten - wie alle Sorbentien - möglichst großflächig ausgebreitet werden, damit der Wettkampf zwischen Aktivkohle und Kunstwerk um die begehrten Schadstoffe möglichst klar zugunsten der Aktivkohle ausgeht (Brokerhoff 1998). Ein direkter Kontakt zwischen Aktivkohleprodukten und Exponaten ist aufgrund der Gefahr chemischer Reaktionen zu vermeiden (Schieweck 2006).

Der Versuch, Schadstoffe durch einen bespannten Vitrinenboden hindurch entfernen zu wollen, wird eher geringen Erfolg haben, da Boden und Bespannung eine nicht unwesentliche Barriere für den Luftaustausch darstellen. Müssen die Schadstoffadsorber dennoch unter dem Vitrinenboden platziert werden, so lässt sich - ähnlich wie bei der Vitrinenklimatisierung (Kapitel 3) - versuchen, die Luft durch breite Schlitze um den Vitrinenboden herumzuführen (vgl. Grosjean 1991). Die Tatsache, dass die Schadstoffe schwerer sind als Luft und daher eher nach unten sinken, hat nur eine marginale Bedeutung (Parmar 1991).

Ab einer rel. Luftfeuchte von 60% lässt die Wirksamkeit von Aktivkohle deutlich nach. Graphik nach: Röhr 1998

Aktivkohle-Gewebe

Aktivkohle-Gewebe werden unter den Namen Charcoal Cloth und Kynol angeboten. Sie bestehen aus 100% Aktivkohlefasern und sind naturgemäß schwarz. Die Gewebe können jedoch mit allerlei farbigen Textilien laminiert oder schlicht mit einem dünnen Dekostoff überzogen werden. Nach Parmar 1991 verringert sich dadurch die Effizienz um ca. 1/3. Aktivkohle-Textilien besitzen eine sehr geringe Faserdicke und die Schadstoffe müssen nur kurze Wege zurücklegen, um adsorbiert zu werden. Aus diesem Grund eignen sich Aktivkohle-Gewebe auch für die Anwendung in ruhender Luft. Die Textilien sind regenerierbar (im Umluftofen 1h bei 100°C) und erreichen dann wieder mehr als 99% ihrer Adsorptionsfähigkeit (Angabe Kynol).
Kynol-Aktivkohletextilien werden als Gewebe verschiedener Dicke jeweils in vier Porengrößen in Form von Filz und Schnüren hergestellt (Produktdaten). Zur Adsorption von Essigsäure und Formaldehyd ist die Sorte mit 1500 m²/g zu empfehlen. Bei Kynol ist das Ausgangsmaterial eine amorphe Kunstfaser, die nach der Aktivierung fast ausschließlich schlitzförmige Mikroporen bildet - ideale Voraussetzungen für eine schnelle und effiziente Adsorption auch kleiner Konzentrationen.
Das in Konservierungskreisen bekanntere Charcoal Cloth ist etwa 0,5 mm dick und wiegt ca. 110g/m². Es sind auch andere Dicken und Sorten mit alkalisch imprägnierter Aktivkohle (s.u.) erhältlich. Die Kunstwerke sollten nicht direkt auf dem Aktivkohletextil stehen, da dessen Oberfläche oxidierend wirken kann (Bradley 1985, Shashoua 1995). Bei direktem Kontakt mit Metallobjekten kann sich ein elektrisches Lokalelement bilden, man denke z.B. an Zink-Kohle-Batterien. Näheres zu Charcoal Cloth siehe hier.

Aktivkohle-Gewebe

Aktivkohle-Granulate

Aktivkohlen in Granulatform eignen sich im Museumseinsatz hauptsächlich für Vitrinen mit Umluft oder permanenter künstlicher Zuluft (Kapitel 4.4), da sie in ruhender Luft eine wesentlich geringere Wirksamkeit besitzen. Es leuchtet ein, dass bei Granulaten ein gewisser Druck erforderlich ist, um die Schadstoffe in die Tiefen des Materials zu befördern.

Feine Poren und eine sehr große innere Oberfläche besitzen z.B. Aktivkohlen auf der Basis von Kokosnussschalen (z.B. Kokosnusskohle Typ K 48, Firma Silcarbon). Aufgrund der engen Poren ist diese Kohle besonders gut geeignet, kleine Schadstoffkonzentrationen zu adsorbieren. Sie ist zur Adsorption unpolarer organischer Substanzen wie Holzschutzmittel oder Mottengift geeignet sowie zur Aufnahme kleiner Mengen saurer Gase und verschiedenster Stoffe (Parmar 1991).

Kokonuss-Aktivkohle. Aus: www.gelsheimer-gmbh.de

Imprägnierte Aktivkohlen

Wenn neben unpolaren organischen Luftinhaltsstoffen vorwiegend Säuren und Schadstoffe wie Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff etc. beseitigt werden müssen, kommen imprägnierte Aktivkohlen zur Anwendung. Die Ausfilterung beruht hier auf dem Prinzip der Chemisorption, die Schadgase werden chemisch gebunden. Der Sorptionsvorgang ist daher meist irreversibel, während reine Aktivkohlen, wie schon beschrieben, z.B. bei Klimaveränderungen Schadstoffe wieder freisetzen können. Imprägnierte Kohlen lassen sich auch mit reinen Aktivkohlen mischen.
Die Vorgänge, die bei der Chemisorption stattfinden, dauern länger als die physikalische Adsorption und bedingen daher eine höhere Verweildauer des Gases im Adsorber, mit anderen Worten ein dickeres Filterbett oder mehr Fläche. Im Gegensatz zu reinen Aktivkohlen sind hier höhere Temperaturen günstiger. Für die typischen Museumsvitrinen, die hauptsächlich mit Essigsäure, Schwefeldioxid und anderen sauren Gasen belastet sind, kommen am ehesten mit Kalium- oder Natriumhydroxid imprägnierte Aktivkohlen in Frage (z.B. Aktivkohlegranulat KC10 auf der Basis von Steinkohle, mit Natriumhydroxid imprägniert). Auch Aktivkohletücher werden imprägniert angeboten, z.B. das mit Kaliumcarbonat imprägnierte Charcoal Cloth Type 150, empfohlen für nitrose- und schwefelhaltige Gase.

Ob bei passiver Anwendung besser imprägnierte oder reine Aktivkohle angewendet werden soll, wird von den Beratungsingenieuren der Produzenten unterschiedlich beantwortet und bedarf näherer Klärung.

Spezielle Anwendungsformen von Aktivkohlen

Aktivkohlevliese sind eine preisgünstige Alternative zu Aktivkohlegeweben (GUT). Aus dem Automobilbereich stammen relativ günstige Filtervliese, bei denen Aktivkohlegranulate auf einem Vliesträger angebracht sind (Helsatech).

Mit der MicroChamber Emulsion lassen sich Oberflächen mit Aktivkohle beschichten, was z.B. in Archivschränken vorteilhaft sein kann. Die schwarze Acrylsuspension enthält neben Aktivkohle zusätzlich Kalziumkarbonat (ca. 37% Feststoffe, pH 8 (Conservation Resources)).

 

nach oben4.5.1.2 Purafil

Bei den sog. Purafil-Medien handelt es sich um violettfarbene, mit Kaliumpermanganat getränkte Tongranulate (Abb. rechts). Die Schadstoffe werden bei einer chemischen Reaktion zersetzt und sind somit irreversibel an das Granulat gebunden. Ähnlich wie in Filteranlagen (Kapitel 4.3) lässt sich Purafil auch in Vitrinen parallel zu Aktivkohle einsetzen. Auch Gemische sind möglich. Welches Medium für welchen Einsatzzweck am besten geeignet ist, zeigt die Übersicht oder diese Tabelle.
Bei Purafil zeigt sich an der Farbveränderung der Tongranulate wann das Material erschöpft ist (Abb. ganz rechts). Die Restaktivität lässt sich am Farbton zerdrückter Körner erkennen. Bei Filtermatten wird ein Stück Matte in 100 ml Wasser gegeben. Der Violettton der Lösung gibt Aufschluss darüber, wie viel Restaktivität noch vorhanden ist. Bei Gemischen von Purafil und Aktivkohle ergibt sich hieraus auch ein gewisses Indiz für die Notwendigkeit einer Aktivkohleerneuerung.

Violettes Purafilgranulat. Aus: www.wesco.ch

Farbveränderung des Granulats

Bei Vergleichstests in ruhender Luft schnitt Purafil in fast allen Fällen (außer bei Ozon in Schadstoffgemengen) schlechter ab als reine Aktivkohle, zum Teil in der Größenordnung von 6-10 mal schlechter (Grosjean 1991). Die Tests mögen insofern etwas verfälschen, als hier frische Aktivkohle und kurze Versuchszeiten gewählt wurden. Frische Aktivkohle trägt auf der Oberfläche eine geringe Menge an alkalischen Oxiden und besitzt zudem eine sehr große Oberfläche. Dass Aktivkohle sich hier wirksamer zeigte als Purafil, erklärt sich aber auch aus der Tatsache, dass für die Reaktion bei Purafil (wie auch bei imprägnierter Aktivkohle) gegenüber reiner Aktivkohle längere Kontaktzeiten zwischen Schadstoff und Filtermedium notwendig sind. In Filteranlagen sorgen größere Schichtdicken für einen Ausgleich. Es müsste weiter erforscht werden, welche Sorbentien sich im passiven Modus auf Dauer am besten eignen. Ein wesentlicher Vorteil von Purafil gegenüber Aktivkohle bleibt, dass die Schadstoffe chemisch gespalten werden und somit nicht mehr abgegeben werden können. Einzelne Chemikalien oxidieren allerdings weiter zu wiederum unerwünschten Chemikalien (z.B. SO2 zu H2SO4), wobei die Reaktionsgeschwindigkeit niedrig ist.

Nächstes Kapitel: 4.5.2 Zeolithe, Silikagele, Aktivtonerde und Polymere

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